Ey! Soo! Muss Werbung.

© Saturn

Die Märkte sind gesättigt, gleiche Angebote, identische Sortimente, austauschbare Produkte … Inszenierung und Positionierung machen den Unterschied – und das in der Wahrnehmung der Verbraucher. Die Zeichenstrategie entscheidet über Shop-Besuch oder Meidung, über Kauf oder Nicht-Kauf, über Sympathie oder Gleichgültigkeit bis bin zur Antipathie.

Das Spiel von MediaMarkt/Saturn ist clever eingefädelt. Die Zeichenstrategie ist auf binären Oppositionen aufgebaut: Der eine Markt positioniert sich konträr zum anderen. Die Konsumenten glauben, den aufregenden Kampf um den besten Preis und die geilste Technik zu gewinnen.

Eindeutige Codes trennen die beiden Märkte: rot versus blau, Schlaumann versus Coolman, häusliches Wunschkonzert versus selbstdarstellenden Rap. Und auch in der Angebotsstrategie wird es niemals Überschneidungen geben: Bewirbt der rote Markt den günstigsten Drucker, kontert der blaue Markt mit dem Notebook-Winner.

Saturn wirbt nun seit einiger Zeit auch in Österreich (Start war bereits vor Längerem in Deutschland) mit einer neuen Werbelinie und einem neuen Slogan: „Soo! Muss Technik.“ Die Zeiten des geilen Geizes sind Geschichte. Ein neuer Weg in Richtung Technikinnovator soll beschritten werden. Und dies nicht zuletzt auch mit den neuen Akteuren der Spots: zwei männliche, computeranimierte, rappende Figuren. Um die Botschaft und auch den Slogan decodieren zu können, muss man sich den Frame ansehen: Rap, Hip Hop. Rap ist Sprechgesang, schnell, frech, aufmüpfig. Es geht um Aufmerksamkeit, darum Erster zu sein, ganz Vorne zu sein. Rap bedeutet „Geplauder“, „Schwatzen“. Das Geplauder einer bestimmten Szene, einer neuen Generation von Musik und ihren Anhängern. Damit wird klar: Es werden nur bestimmte Menschen angesprochen. Die jungen, die sich gegen den Mainstream auflehnen, die die Welt verändern wollen und ihren eigenen Weg suchen. Die Sprache der Rapper folgt ihren eigenen Regeln und erfindet Sprache ab und zu gänzlich neu. Es geht nicht um Korrektheit, sondern um die Aussage. Cool sein hat Priorität. Die breite Bevölkerung versteht die Sprache nicht, akzeptiert sie nicht, da sie nicht den Regeln entspricht. Technik ist im Leistungsmotiv angesiedelt. Technik muss funktionieren. Saturn setzt Technik in einen neuen Rahmen, den der „Wildheit“, des Protestes. Protest und Leistung sind Werte aus unterschiedlichen Motivbereichen, die Irritation und Aufregung auslösen.

Die Werbestrategie von Saturn setzt auf das Pareto-Prinzip, wonach 80% der Ergebnisse mit 20% der, in diesem Fall, potenziellen Käufern erzielt werden. Nämlich den jungen, technikaffinen, die sich über die geilste Technik selbst darstellen wollen. Rap ist nicht nur reine Selbstdarstellung, sondern auch Ausdruck der eigenen Identität, es ist quasi ein Bekenntnis. Und damit kann Saturn zum Kult in der spezifischen (wenn auch vielleicht kleine(re)n) Zielgruppe werden. Aber nicht nur die Sprache löst Emotionen aus, auch die Musik ist eng an Körperempfindungen gekoppelt. Nicht Sicherheit ist angesagt, sondern Aktivierung.

„Yo! Was geht ab?“ ist ein typischer Spruch der Szene. Der Slogan von Saturn damit nur das logische Ende eines Rap-Songs. Der Slogan spricht eindeutig „Rap“. Somit in sich stimmig und ein Aufreger. So wie Rap und manchmal eben auch Werbung eben sein soll.

Fazit

Zeitgeist ist der Filter für Codieren und Decodieren. Unsere eigenen Werte sind der Filter unserer Interpretationen. Werte bestimmen also, wie wir handeln und reagieren, was wir gut und was schlecht bewerten. Im Falle der Saturn Kampagne entsteht eine klare Polarisierung: Die leistungs- und technikorientiert denkende Gesellschaft fühlt sich in der Korrektheit ihrer Werte angegriffen, während sich eine spezielle Zielgruppe großer Ansprache und Involvements erfreut. Das ist ihr Markt. „Yo! Mann!“ Und im Endeffekt läuft die Polarisierung genau darauf hinaus, die Konsumenten entweder in den einen oder den anderen Markt zu scheuchen – bewusstes Mind-Setting.