Werbung im 21. Jahrhundert sollte sich am Zeitgeist der Gesellschaft und damit auch an Marketing 3.0 lt. Kotler orientieren: Also an den Bedürfnisse der Menschen und deren Motiven. Eine Marke hat die Funktion, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Needs and Wants und damit auch ihre unbewussten Ziele zu erreichen. Es geht heute nicht mehr um die klassischen Heroen, die Überlegenheit behaupten, sondern um die, die den Menschen helfen und nicht bloß als Produkt erscheinen (Marketing 1.0) oder Menschen als Verbraucher sehen (Marketing 2.0). Marken müssen noch mehr als früher Persönlichkeiten sein und werden, die Geschichten erzählen und eine klare Identität aufweisen. Wenn nicht, verlieren Marken ihre Semantisierung und werden zu reinen Produkten.
Die Markenartikelkampagne „Achten Sie auf die Marke“ orientiert sich auch in der 18. Auflage klar an Codes des Marketing 1.0 und bedient sich damit im Grunde genommen auch an der Propaganda: Sie versucht durch die Botschaft – Marken sind Champions, die sich durch harten Kampf die Vormachtstellung erkämpft haben – die Sichtweise der Menschen bzw. in diesem Fall der Verbraucher zu lenken. Sie behaupten, die bessere Alternative zu sein, die anderen haben den Kampf (angeblich) verloren. Die Kampagne tritt den Beweis allerdings nicht an. Den Beweis sucht der Anwender selbst. Die Kampagne führt also einen Monolog, den der Betrachter wahrnehmen und danach handeln soll. Biologisch betrachtet, bedeutet Werbung, sich so zu verhalten, damit man dem anderen gefällt und ihn damit anlockt. Es ist ein ehrliches Bemühen um den anderen. Das ist es, was Werbung heute sein sollte: Der authentische Auftritt, der dem Gegenüber Sinn und Bedeutung vermittelt und nicht mehr rein nur das Produkt mit seiner Funktion.
Von den heuer 34 mitwirkenden Marken setzt ein hoher Anteil auf Kategorien-Championships wie „Nudel-Champion“ (Recheis), „Feinkost-Champion“ (Neuburger), „Mundpflege-Champion“ (Listerine), „Pflege-Champion“ (Nivea), „Mayonnaise-Champion“ (Kuner). Weiters beliebt sind Funktionalitäten der Produkte wie „Dampf-Champion“ (Miele), „Farbglanz-Champion“ (El Vital), „Waschkraft-Champion“ (Persil) oder „Duft-Champion“ (Fa). Bei beiden Ausprägungen erfährt die Marke in ihrer Semantik eine Reduktion auf messbare und auswechselbare Kriterien. Die Marke wird also entmystifiziert und mit jedem anderen No-Name Produkt mit den gleichen und damit vergleichbaren „Champion“-Eigenschaften auf eine Ebene gestellt. Einen direkten Nutzen bzw. Mehrwert vermitteln nur wenige teilnehmende Markenprodukte wie z.B. Bosch als „Silence-Champion“. Die Botschaft wirkt auf einer rein denotativen Ebene, es werden keinerlei Konnotationen vermittelt – Marketing 1.0 mit Fokus auf dem Produkt.
Aus semiotischer Sicht sind Marken Bestandteil der Kultur und damit eingebettet in Werte und Vorstellungen einer Gesellschaft. Mit Marken markieren wir uns, wir zeigen anderen, was uns wichtig ist im Leben. Umso wichtiger ist es, dass eine Markenartikelkampagne die Werte und Codes der vorherrschenden Kultur, den jeweiligen Zeitgeist ansprecht. Marken sind sozusagen Sozialcodes, neuzeitliche Totems, die bestimmen, wie wir sie wahrnehmen sollen und wie wir selbst wahrgenommen werden wollen. No Name Produkte oder Handelsmarken bestimmen sich durch ihren Gebrauchswert und ihre Funktion – ganz im Gegensatz zu Marken, die durch symbolische Codes einen psychologischen Mehrwert vermitteln, die sich über Bedürfnisse und Motive der Menschen definieren.
Fazit
Die Markenartikelkampagne 2014 betreibt Propaganda, anstatt um die Menschen zu werben und ihnen einen Mehrwert (durch die Marke) zu bieten. Marketing 1.0 statt 3.0, der Mensch und seine Bedürfnisse werden ausgeblendet. Man vergisst, dass wir im Zeitalter der Offenheit, Transparenz, Kommunikation und Überprüfbarkeit leben, in dem bloße Behauptungen abgestraft werden. Heute geht es vielmehr um Authentizität als um Überlegenheit und Machtgefüge.
In Posttests wird die Kampagne voraussichtlich gute Impact-, Recall- und Recognition-Werte erzielen, aufgrund hoher Penetration und hoher Wiedererkennbarkeit durch die Gestaltung und die Kontinuität über Jahre hinweg. Welchen Erfolg es den mitwirkenden Marken und Produkte bringt, bleibt abzuwarten.
Link zur Website: Achten-Sie-auf-die-Marke
Der Artikel erschien auch im a3 BOOM 2/2014.