Die true colors von true fruits

true fruits Kampagne 2017

Der „Saftladen“ true fruits aus Deutschland hat es auch in diesem Jahr geschafft, heiße Diskussionen rund um ihre Werbekampagne zu entfachen. Waren es im letzten Jahr Sprüche rund um „Samengenuss“ und „Oralverzehr“, so bedient man sich in diesem Jahr dem politischen Framing. Im Mittelpunkt stehen wie immer die Flaschen an sich. Sie werden zu Repräsentanten anderer Botschaften und Bedeutungen. Heißt: Sie sind alles, nur keine Flaschen oder Smoothies – zumindest auf den Werbeplakaten nicht.

Doch warum schreien die Einen vor Entsetzen und die Anderen vor Hochachtung vor der Kreativität auf? Selbst beim Werberat ist die Kampagne gelandet. Die Entscheidung lautet: Sensibilisierung, was heißt, die Botschaft der Kampagne soll überarbeitet werden. Welche Zeichen sind es denn, die unsensibel und rassistisch sind?

Zeichen lösen Brain Scripts aus

Es ist das Spiel der Farben und der Worte, das beim Betrachter Brain Scripts auslöst, also an Gedanken und Erfahrungen andockt und die Geschichte hinter dem einfachen Abbild der Flaschen enthüllt. Der Markteintritt der deutschen Firma in den österreichischen Markt wird bewusst im politischen Colorit gehalten: So sehen wir Schwarz-Rot-Gelb nebeneinander stehen. Die Farben der deutschen Flagge. Was sich in den Motiven ändert, ist der ergänzende Text dazu. „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland.“ bedient sich der Alltagssprache, in der wir Versager, leere Köpfe als „Flaschen“ titulieren. „Eure Heimat braucht uns jetzt.“, ein an Norbert Hofer angelehnter Wahlkampfslogan zur Präsidentschaftskandidatur. Und „Bei uns kannst Du kein Braun wählen!“ ist ein klares Statement, eine Ansage. Eine wichtige Funktion hat der Hashtag, der eine weitere Denk- und Interpretationsrichtung des Motives vorgibt: #jetztösterreichts. Gewünschte Botschaft: true fruits ist da. Vermittelt wird aber: Es reicht, eine Grenze (in Österreich) ist überschritten. Im Kontext mit den Motiven ist dies quasi der Schlusspunkt, der das zuvor Gesagte untermauert.

Das Bild verdichtet sich

true fruits spielt bewusst mit Polaritäten: Innen versus Außen, Weiß versus Schwarz, Bunt versus Braun, Links versus Rechts, Österreich versus Deutschland, Richtig versus Falsch, Erfolg versus Niederlage. Alle vier Motive wirken wie eine Gesamtbotschaft aus einzelnen Puzzleteilchen. Erst die Summe macht sie so stark in der (negativen) Wirkung beim Betrachter. Es werden Begriffe verwendet, bei denen jeder von uns sofort Geschichten, Bilder und Meinungen im Kopf abrufbar hat: Heimat – Grenze – Ausland – Braun.

Wären nur die beiden Motive „Eure Heimat braucht uns jetzt.“ Und „Bei uns kannst Du kein Braun wählen.“ affichiert worden, wäre es eine zynische Kampagne. Der Konnex zu Innen versus Außen, Abgrenzung, Ausländern etc. wäre nicht aufgekommen. Der Zusatz #jetztösterreichts ist dennoch kritisch zu betrachten. Denn er besagt, dass es in Österreich nun reicht, das Maß in Österreich ist voll. Der Hashtag erhebt Österreich zum Limit des Maßes aller Dinge. Somit besagt „Bei uns kannst Du kein Braun wählen.“: In Deutschland geht das nicht, bei euch schon. Es reicht. Schlussfolgerung: „Eure Heimat braucht uns (Deutsche) jetzt.“ Das mag in Österreich bei einigen Menschen eben eher auf Widerstand stoßen als auf Euphorie.

Die beiden anderen Motive „Noch mehr Flaschen aus dem Ausland. #jetztösterreichts“ und „Schafft es selten über die Grenze. #jetztösterreichts“ schlagen in eine andere Kerbe. Beides sind Feststellungen, Wahrnehmungen des Absenders. Die Interpretation obliegt dem Betrachter. Die Wörter „Ausland“, „Flaschen“ und „Grenze“ jedoch manifestieren ein spezifisches Bild und ebensolche Assoziationen. Gerade die Debatte um die Aufnahme der Flüchtlinge in den verschiedenen Ländern und Merkels Flüchtlingspolitik wirkt sehr stark in die Interpretation der Motive. Dass es die schwarze Flasche selten über die Grenze schafft, liegt wohl an Österreich – so die Decodierung der Botschaft.

Fazit

Die Flasche ist keine Flasche per se, sondern ein Repräsentant für: „’Flaschen’ aus dem Ausland“, die „Deutschen“, die „Nicht-Rechten“ und die die sagen, was reicht. true fruits schafft mit den vier Motiven eine semantische Verknüpfung verschiedener Brain Scripts aus dem aktuellen politischen Flüchtlingskontext abzurufen und zu verdichten, nahezu zu potenzieren. Bei vielen Betrachtern entsteht eine Gesamtstory, die rassistisch konnotiert ist. Die symbolische Bedeutung des latenten Inhaltes entsteht im Kopf des Betrachters. Bei einem mehr beim anderen weniger. Dieser Fall ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Zeichen und ihre Bedeutungen immer in einen Kontext eingebettet sind, nämlich aus Zeit und Raum. Die Kampagne hätte vor der Flüchtlingskrise weniger Aufregung versursacht als sie es heute tut.