Das war der Neuromarketing-Kongress 2012

Das Thema des Kongresses 2012 in der BMW Welt in München lautete: Customer Experience Management.

Hier kommen Sie zum Programm und den Vortragenden des Tages: Kongress

Das Ziel des Tages und des Themas: Wie schafft man es, dass Einkaufserlebnisse im Gedächtnis verhaften und Erwartungen übertroffen werden?

Dr. Häusel sprach zum Auftakt über die Ebenen des Unterbewussten:

  • Biologisch genetische Programme – können wir nicht steuern, bemerken wir oft nicht (limbic), menschliches Gesicht ist wesentlicher Botschaftsträger.
  • Kulturelle/soziale Milieuerfahrungen: Entscheidungsstile sind bspws. in Europa im Vergleich zu Asien extrem unterschiedlich, auch die Wahrnehmung wird anders beeinflusst. So ist diese in Asien ganzheitlich, in Europa nur auf Mittelpunkt orientiert.
  • Individuelle/situationale Einflüsse: professionell, Umfeld, Kontext (wer weich sitzt, gibt in Verhandlungen eher nach), Farben etc.

Wir stellen uns immer die Frage: Kommt das was wir wollen auch tatsächlich an? Wie sind die Entscheidungsabläufe im Gehirn? Dazu folgten Vorträge namhafter Experten aus der Wissenschaft und der Praxis.

Prof. Dr. Gerd Gierender – Bauchentscheidungen – der Abschied vom Homo oeconomicus

Intuition ist gefühltes Wissen, taucht rasch im Bewusstsein auf, dessen tiefere Gründe sind uns nicht bewusst und ist stark genug, um danach zu Handeln.

Wir misstrauen der Intuition per se. Das Gegenteil ist die Ratio.

Die Heuristik ist die Basis der Intuition, ist der Fokus auf das Wesentliche. Sie ist die richtige Antwort auf die richtige Frage. Rational wird oft die richtige Antwort auf die falsche Frage gesucht.

Für gute heuristische Entscheidungen muss man viele Faktoren ignorieren, sich nur auf einen Faktor beziehen –> weniger ist mehr. Dies gilt allerdings nur in einer unsicheren Welt (bzw. Fragestellung) mit vielen komplexen Faktoren.

Die Intelligenz des Unbewussten heißt, nicht aufpassen müssen, was man tut. Anfänger brauchen Instruktionen, um besser zu werden. Experten müssen sich auf ihre Intuition verlassen. Instruiert man den Experten, was er besser machen soll, wird er schlechter, weil er bewusst darüber nachdenkt!

Soziale Heuristiken: Was kaufen Sie? Dann kauf ich das auch. Fragen Si den Kellner also lieber, was er heute essen würde und nicht, was er empfehlen würde, denn dann denkt er wieder nach.

Prof. Dr. Ap Dijksterhuis – Machtwechsel – Wie das Unbewusste das Bewusstsein bestimmt

Körperhaltung und Bewegungen beeinflussen die Aufnahme ins Gehirn!

Wir Remimiken andere sehr oft, Nachahmung ist ein wesentliches soziales Verhalten, es hilft uns zu lernen, anderen zu zeigen, dass wir sie mögen, wir teilen Emotionen, sind empathisch …

Er beschreibt die Relevanz des Framing effects. Es wurde folgendes Experiment durchgeführt: Man hat ein Foto einer Bücherei (Buchregale) in die U-Bahn oberhalb der Fenster geklebt. Dies hatte den Effekt, dass die U-Bahn-Fahrer mehr flüsterten – das Verhalten aus der Bibliothek wird imitiert.

Mittels eines in der Masse durchgeführten IAT mit (Knieklopfen) verdeutlichte er noch, dass wir fremdenfeindlich denken, auch wenn wir das rational nicht tun …

Prof. Dr. Wolfgang Henseler – Website-experience: Natural User Interfaces – fingerleicht und intuitiv

Sehr spannender Vortrag zu den Phänomene der Veränderung der Technologien:

  • Phänomen 1: Schrumpftechnologien: immer kleiner, schneller, günstiger; von materiell zu immateriell, von der Maschine zumm persönlichen Assistenten. Usability bei Betriebssystemen: Tastatur – Tastatur und Maus – Finger und Stift – Geste und Stimme
  • Phänomen 2: User experience verändert sich: Finger ersetzt Maus und Cursor, Multimedia experience, von einem zu vielen Nutzern, natürliche Gesten zur Interaktion, multisensorische Gesten zur Interaktion.
  • Phänomen 3: Nutzungserwartungen verändern sich: Anything, anywhere, anytime, any me
  • Phänomen 4: Design verändert sich: Look and feel, feel nimmt deutlich zu, Gestaltung von visuellem Verhalten ist gefragt!
  • Phänomen 5: Aus Webseiten werden Webinterfaces: adaptives Aussehen und Verhalten auf untschiedlichen Geräten, keine hierarchische Organisation mehr. Adaptive mediale Inhalte kommen auf User zu.
  • Phänomen 6: Gute Usability wird immer wichtiger: Joy of use wird essentiell, reduction of friction: schneller, einfacher, gezielter, Apps führen User 3 mal schneller ans Ziel als Webseiten.
  • Phänomen 7: Aus Webseiten werden Apps: intensivere User experience, bessere Usability
  • Phänomen 8: Alles soll einfach und intuitiv sein: OSIT Modell: Wie kann man Interaktionssysteme intuitiv machen? Durch Orientieren, Selektieren, Informieren, Transagieren – in Betriebssystem integrieren, dann ist es intuitiver. Je intuitiver, desto besser als Verkaufssystem geeignet.
  • Phänomen 9: Usability ist nicht Konsumpsychologie! Beides ist für Webshops relevant! Was, wo und wie hinterfragen!

Bernd Werner – Media-Experience: Wie Medien wirklich wirken

Was ist das richtige Medium für meine Botschaft?

Warum lieben wir TV? Weil es die Aufmerksamkeit fesselt

Medien auf Limbic Map

TV lenkt von Realität ab durch den Orientierungsreflex

Das Medium fördert geringe Stimulation des Gehirns, senkt den Stresslevel, die Folge sind Alphawellen und Entspannung. Wir werden durch TV konditioniert, wir bekommen nicht genug –> Suchtpotenzial! TV unterhält uns, ist multioptional. Auf der Limbic Map im Bereich der Stimulation angesiedelt. TV liefert vertraute Geräuschkulisse aus dem  Alltag. Es ist der Begleiter durch den Alltag. TV macht schlau, fördert das Lernen, hat kognitive Funktionen. TV macht weniger allein, man ist Teil einer Gemeinschaft , man hat das Gefühl unter Leuten zu sein. Der Zuseher identifiziert sich mit den Akteuren –> Gefühl der Zugehörigkeit. TV schafft auch Kontrolle durch die Infos über Umwelt und Kontext. Es hält uns am Laufenden.

Zeitschriften emotionalisieren, bleiben stärker im Gedächtnis, mehrere Sinne angesprochen: riechen, fühlen, hören, sehen –> emotionales Erleben, kann man in die Hand nehmen. Für Gehirn realer verarbeitbar. Zeitschriften entspannen, bauen Stress ab, Flucht. Flanierendes des Gehirns, wie beim Schaufensterbummel. Reduktion der Komplexität durch Themenvorgaben. Convenient und Easy, hoher Mobilitätsaspekt, durch Landscape Format bessere Verinnerlichung der Angebote. Zeitschriften vermitteln Sicherheit und Geborgenheit. In Print liest man einfacher als online.

Internet

Aktuelle Infos zu allen Themen, hat Pull-, Research-Charakter. Es ist ein Alarmmedium, ständig aktuell, laufendes Gefühl des Verpassens, Kontrolle, Wissenseffizienz. Motivbereich der Kontrolle und Dominanz. Es ist interaktiv, multioptional. Internet ist im Goal-Modus, bewusst, aktiv, zielsuchend, abwechselnd, unbegrenzt. Es wird permanente Belohnung und damit Dopamin ausgeschüttet. Das Internet ist nie langweilig, ständige Unterhaltungsgarantie. Es schafft Freund- und Liebschaften durch Social Media. Belonging Hypothese:  Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Tor zur virtuellen Beziehungswelt. Auch Das Internet hat Suchtpotenzial: vor allem beim Gaming, e-Mail, Chatting … Tw. exzessiver Gebrauch, Gewöhnung. Die Dosies für die Befriedigung muss ständig erhöht werden. Internet bietet Reize im Überfluss.

Prophezeiung: Die Nutzungsformen der Medien werden sich verschieben, Print wird weiter überleben, da die Belohnungsstrukturen unterschiedlich sind!

Bei der Medienwahl sollte man die Wirkung der Mediengattung und die Wirkung im Medienumfeld berücksichtigen, um den optimalen Fit zwischen Umfeld und Markenprofil herzustellen.

Jürgen Wieser – Communication-Experience: Wie man mit dem Hirnscanner TV-Spots und Firmenpräsentationen optimieren kann

Der TV Spot von Gösser Bier wurde im Gehirnscanner gemessen. Kann der Proband die Geschichte verstehen oder nicht? Am Scan sieht man, welche Areale im Gehirn aktiviert werden.

Mömax Spot: Frau schreit, Mann wacht aus seinem Schläfchen auf, sie gibt ihm den Müll in die Hand und lächelt. Bei diesem Spot sieht man, dass das Angstzentrum aktiviert wird, dann aber das Belohnungszentrum durch die humorvolle Auflösung des Spots.

Volksbank Spot mit den österreichischen Skispringer, Hellseher Kugel: rationale Auflösung am Ende des Spots durch Aufzählungspunkte der Volksbank Leistungen. Diese wirken sich negativ auf das Belohnungsareal aus!

Dr. Ralf Stürmer, Jennifer Schmidt – Product-Experience: den unbewussten Kaufgründen auf der Spur

Psychophysiologie = Wissenschaft von den körperlichen Reaktionen, die mit psychologischen Vorgängen in Beziehung stehen. Der Duft einer Rose löst psychisch Freude aus, physiologisch ein Lächeln.

Bsp. Tee-Test im Geschäft: Geruchs- und Geschmackstest, anschließend Beobachtung beim Kauf. 62% haben den verkosteten Tee positiv bewertet, aber nur 18% haben diesen dann tatsächlich gekauft.

Den Homo Oeconomicus gibt es nicht mehr! Emotionen führen uns zum Kauf! Verwendung verleitet zum Wiederkauf! Es wird immer wichtiger, die Multisensorik der Produkte in der Anwendung zu aktivieren –> Product Experience.

Emotionen entstehen im Limbschen System. Emotionen leiten Handlungen unbewusst und entgegen rationaler Argumente. Die beiden Vortragenden haben dafür die Objective Emotional Assessment Methode. Dies ist die Messung von physiologischen Reaktionen, vom Ausdrucksgehalt (Mimik) und dem subjektiven Empfinden.

Sie haben auch schon Düfte im Auto identifiziert, die sich physiologisch auf das Befinden beim Fahren auswirken.

Norbert Wittmann, Frank Rehme – (Future) POS Experience: Was Kunden am POS von morgen erwarten

Der Kunde ist ein Professional in vielen Bereichen, man muss die Stellhebel heben.

Es gibt zwei Formen des Shopping-Verhaltens:

  • Controller Shopping – mentale Entlastung der Kunde, Sparsamkeit, Einfachheit, Sicherheit
  • Experience Shopping – Waren zum Anfassen und Probieren, Kreativität, Individualismus, Abwechslung

Ziel: Erlebniswelten im Lebensmittelbereich bauen. Die Limbic Types zeigen Zielgruppenwünsche auf. Dadurch kann man die Wegeführung des Kundenlaufes steuern. Dies für mehr Orientierung, Entspannung und Ruhe.

Auch hier geht es wieder um Multisensorik: Beduftung, bewegte Bilder, Geräusche – es ist wichtig, die Kunden interaktiv in die Verkaufswelt einzuführen.

Der Future POS der REWE Group zeigte, dass diese Art des neuen multisensorischen Shops zu 20% mehr Umsatz führt und dies vor allem auch durch Neukundengewinnung (Neugier).

Anne Schüller – Touchpoints Experience: Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute

Zu 90% vertrauen wir Menschen, die zu unserem Freundeskreis, unserer Nachbarschaft zählen.

Zu 64 % vertrauen wir den Menschen im internet.

Zu 33% vertrauen wir der Werbung der Marken.

UeSP – der emotionale USP ist heute wichtig!

Männer und Frauen reagieren unterschiedlich, jedes Produkt muss Frauen und Männer unterschiedlich ansprechen!

Porsche ist der beste Beweis, dass Männer und Emotionen zusammenpassen 😉

Porsche hat 90% Männeranteil, ist ein Produkt, das niemand braucht, aber jeder will.

Oxytoxin ist ein Hormon, das Frauen mehr haben als Männer. Dadurch empfinden sie  mehr Loyalität, große Treue und sorgen für ein großes Schneeballpotenzial.

Wie funktioniert die Customer Journey Ihrer Marke: Mischung aus online und offline? Die Frage ist, wo Loyalität entsteht – freiwillige Loyalität. An welchem Touchpoint  entsteht Weiterempfehlung?

Kundenzufriedenheitsanalysen sind die Messung des Mittelmaßes, heute geht es um Begeisterung, um „Sternenstaub“.

Am POS ist die Kassa das Schmerzzentrum. Genau dort ist höchstes Potenzial,  dort sollte etwas Besonderes passieren: Danke, schöne Menschen, eine Aufmerksamkeit …

Die Messung der Performance ist laufend wichtig! Dies durch NPS, UPI,  Empfehlungsbrief: Wie sind sie ursprünglich auf uns aufmerksam geworden? Was war es, was ihnen empfohlen wurde? Wer hat es ihnen empfohlen?

Simon Perro – magical experience: das faszinierende Spiel mit dem Unbewussten

Den Tag beschloss ein großartiger und humorvoller Magier, der unsere Ratio ständig zum Narren hielt.

Bis zum nächsten Kongress 2013. Charlotte Hager.