Ich sag’s ganz ehrlich: Ich frage mich langsam, woran liegt es, dass wir immer über Klopapier sprechen? Und, dass Regale während der Corona Krise einfach leer gekauft sind? Was ist los? Und vor allem beschäftigt mich die Frage: Was ist eigentlich mit mir los, weil ich kein Klopapier hamstere? Was stimmt mit mir nicht? Muss ich zum Arzt (nach Corona)?
Also beginne ich langsam, mir Gedanken zu machen, ob ich nicht auch Klopapier zu Hause einlagern sollte. Wem von ihnen ist es auch so gegangen?
Also möchte ich hier meine Hypothesen zum Thema Klopapier Hamsterkauf mit Ihnen teilen. Ich sehe dabei mehrere Effekte.
Effekt 1: Klopapier das Symbol von Sicherheit und Kontrolle in Zeiten der Unsicherheit
Was kann es Schlimmeres geben, als kein Klopapier daheim zu haben? Nahrung kann ich mir besorgen und ich kann noch mal ein paar Tage ohne Nahrung Leben, aber was passiert, wenn ich kein Klopapier habe? Überlegen Sie mal – ich meine es ernst!
Wir stehen vor einer peinlichen und sehr unangenehmen Situation. Ein Tabuthema in unserer Gesellschaft wird offensichtlich. Die Körperfunktionen zur Erleichterung sind in unserer Gesellschaft einfach tabu. Wenn wir nun vom COVID -19 hören, haben wir Angst, die Kontrolle über uns zu verlieren.
Die Medien zeigen es ja sehr gut, dass wir völlig machtlos gegenüber COVID-19 sind. Das Virus verbreitet sich trotz aller Maßnahmen. Also, wenn es schon die Politiker und Ärzte nicht in der Hand haben, wie kann ich mich dann schützen? Da liegt es nahe, dass wir Menschen den Drang verspüren, uns und unsere Liebsten vor Schaden und Peinlichkeiten zu bewahren. Und was ist da wichtig für uns? Es ist die Selbstkontrolle und Selbstachtung. Denn, könnte ich noch in den Spiegel schauen, wenn ich mir nicht mal mehr den A… abwischen kann? Wie weit bin ich dann gesunken? Ich lebe quasi wie ein Tier, aber nicht mehr in meiner vollen Menschenwürde.
Bleiben wir beim Thema Kontrolle. Wir wissen derzeit gar nicht, wie lange die Ausgangssperre noch aufrecht erhalten bleibt. Wir wissen auch nicht, welche Maßnahmen umgesetzt werden. Die Politik setzt Maßnahmen in Windeseile, so dass in uns das System des Überlebens aktiviert wird. Also was, wenn wir nicht mehr raus dürfen und kein Klopapier mehr daheim haben?
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich kaufe Klopapier erst dann, wenn ich keines mehr habe. Ich denke den meisten geht’s genauso. Also, was, wenn wir zwei Wochen oder länger isoliert bleiben müssen, keine Chance haben uns vorzubereiten? Und was, wenn dann kein Klopapier mehr vorhanden ist? Dann haben wir ein sch… Problem.
Effekt 2: Klopapier kann durch nichts ersetzt werden
Noch ein Problem mit dem Klopapier: Klopapier ist nicht so einfach ersetzbar. Klopapier ist Klopapier. Oder wie sehen Sie das? Wer mag Klopapier schon substituieren? Und womit? Was bleibt denn, wenn es kein Klopapier gibt? O. k. dann gibt es Taschentücher, es gibt Küchenrollen, es gibt ääähhhh Stofftücher, Handtücher (*igitt*).
Mehr vernünftig Optionen fallen mir beim besten Willen nicht dazu ein. Und ganz ehrlich, ich mag Taschentücher und Küchenrollen nicht so gern an meinen intimen Stellen des Körpers. Und Sie?
Aber bei den Nahrungsmitteln zu substituieren fällt es uns leichter. Ich kann Tomaten durch Dosentomaten setzen oder umgekehrt, ich kann Bohnen in der Dose kaufen oder im Säckchen zum selber Einweichen über Nacht. Ich kann statt einer Zucchini eine Melanzani (Aubergine) nehmen, ich kann mal auf Fleisch verzichten und was anderes essen und dann gibt es noch die unzähligen Nudelvariationen. Also, die Knappheit hat nicht die gleiche Dramatik wie bei Klopapier.
Effekt 3: Die Wahrnehmung des Mangels als Auslöser von Furcht
Warum fällt uns das Klopapier denn überhaupt auf? Weil Klopapier grrrooooß ist! Es benötigt einfach riesen Flächen im Regal. Also, wenn dort ein paar Rollen fehlen, fällt das auf! Kauf ich mir die gleiche Menge Dosen oder Handdesinfektionsmittel, fällt es im Regal eher weniger auf. Es geht also auch noch um Wahrnehmungseffekte. Das ist der Scheiß mit Klopapier: viel Lagerfläche für wenig Produkt.
Das nächste Problem entsteht in unserem Kopf: Wenn das Regal ausverkauft ist, herrscht Knappheit, herrscht Notstand! Wir müssten also dringend etwas tun. In Social Media und auch den klassischen Medien wird quasi stündlich darüber berichtet, dass das Klopapier ausverkauft ist – da bekomm ich es auch langsam mit der Angst zu tun! Unser Überlebenssystem schaltet sich ein. Wir müssen also auch handeln – JETZT!
Effekt 4: Wenn alle kaufen, sollte ich auch mal was tun
Bilder von leeren Regalen und Einkaufswagen voller Vorräte haben die Nachrichten nahezu überschwemmt. Wir sehen Bilder von Panikkäufen und nehmen nach einer gewissen Zeit an, dass es doch einen Grund dafür geben muss. Und genau hier entsteht der Effekt, dass wir auch beginnen, verdammtes Klopapier zu kaufen, obwohl wir noch gar keines benötigen. Einfach, weil wir das Gefühl der Knappheit verspüren, und das macht unsicher.
Wir Menschen sind soziale Wesen und suchen permanent nach Hinweisen, was für uns gefährlich und was sicher ist. Wir erleben also gerade den Ansteckungseffekt der Angst. Und wenn wir sehen, dass etwas knapp wird, kaufen wir es auch und beginnen damit den Teufelskreis der künstlichen Knappheit.
Das ist auch der Punkt, an dem ich anfange, darüber nachzudenken, was mit mir nicht stimmt! Also fange ich fortan auch an, Klopapier zu kaufen. Ich will ja nicht die Einzige sein, die dann keines mehr bekommt, wenn es notwendig ist!
Effekt 5: Home sweet home – das Gefühl von Sicherheit
Aus meiner Sicht entsteht dieser Effekt dann, wenn ich alles, was notwendig ist zum Überleben, schön zu Hause gehortet habe. Ich das Gefühl der Sicherheit habe, mindestens die nächsten 3-4 Wochen, ohne das Haus zu verlassen, überleben kann. Dann wird’s gemütlich, dann ab auf die Couch, Päckchen Chips in der Hand, alles durcheinanderessen und trinken, was das Zeug hält. Wenn ich dann vom vielen Essen und Trinken Durchfall bekomme, auch egal. Ich habe ja genug Klopapier zu Hause.
Liebe Österreicher und Deutsche: Wir sind nicht allein mit unserem Wahn!
Am Ende möchte ich zur Ehrrettung der Österreicher und Deutschen doch auch betonen, dass nicht nur wir das Klopapier hamstern und horten, sondern noch ganz viele andere Länder dieser Welt wie Australien oder Japan. Wir sind mit unserer Urangst also nicht allein.
Die Urangst ist es, die uns eint!
Der klinische Psychologe und Autor von „The Psychology of Pandemics“, Steven Taylor, erklärt das Verhalten damit, dass das neuartige Coronavirus den Menschen Angst macht, weil es unbekannt ist, weil es neu ist. Wir hören viele widersprüchliche Botschaften und auch über das damit verbundene Risiko. Wir hören auch von unseren Politikern, dass wir uns darauf vorbereiten sollen. Die logische Schlussfolgerung aus seiner Sicht ist, dass Menschen auf Extreme zurückgreifen. Er sagt, wenn du Menschen sagst, dass etwas Gefährliches kommt, aber alles was sie tun müssen, ist ihre Hände zu waschen, scheint die Aktion nicht proportional zur Bedeutung zu sein. Heißt, wir glauben nicht, dass das alleine wirken soll. In unserem unbewussten System geht ab: „Besondere Gefahr erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen.“
Ob da wohl auch der Spruch: „Ich sch… mich an!“ herkommt?