Jede Zeitschrift strebt neben Unverwechselbarkeit und sofortiger Wiedererkennbarkeit in Layout und Design die Aktivierung ihrer Zielgruppe an. Um die Aufmerksamkeit des Adressaten zielsicher zu erwecken, stehen Werte und Bedürfnisse im Vordergrund, die im Wesentlichen durch Magazin-Name, Logo, Typografie und der verwendeten Bildsprache, dem Coverfoto angesprochen werden. Durch das äußere Erscheinungsbild kann man auf den zu erwarteten Inhalt schließen.
Wir haben das Magazin-Cover von NEWS Nr. 47.2012 auf den Bedeutungsgehalt analysiert und konnten Botschaften identifizieren, die im Unterbewusstsein der Betrachter letztendlich ankommen.
„Plötzlich arm“ lautet die Headline und zeigt am Cover ein trauriges Mädchen, seitlich gehalten von einer Frau, die ihren Arm schützend über die Brust des Kindes legt und sie an der Schulter festhält. Die Körperhaltung der Frau transportiert Mitleid, eine entschuldigende Geste, das „Haschen um Verständnis“ des Kindes. Die Schrift in weiß erklärt dem Leser, wofür sich die Mutter entschuldigen muss: „Dem Mittelstand geht das Geld zum Leben aus“. „Auto weg, Sparbuch leer, Urlaub gestrichen“.
Weiters enthält das Cover ein Goodie in Form einer Musik-CD, die dem Leser einen Mehrwert bieten soll und letztendlich die Kaufentscheidung fördern soll.
Die entschlüsselte Botschaft, die in Kombination von Cover-Story und Advent-CD transportiert wird lautet: Auch die Adventzeit wird bescheiden ausfallen! Drei Mädchen musizieren, singen auf dem Cover der CD. Der Farbcode ist geprägt von einem nostalgischen Graustich. Die Abweichung von der natürlichen Farbe – vor allem auch in Kontrast zum färbigen Cover des Magazins – hat einen Einfluss auf die Qualität der Farbwahrnehmung und der damit transportierten Gesamtbotschaft. Die geringe Farbsättigung des CD-Covers ist nicht nur Ausdruck von Nostalgie, sondern auch von geringer Wertigkeit, einer „Entsättigung“ im wahrsten Sinne des Wortes. Dem Leben wird die Farbe genommen, der Alltag wird grau und farblos.
Die senffarbene Schrift, in der das News-Logo und die Aufschrift „Advent-CD“ gedruckt sind, verstärken durch die fehlende Farbsättigung (gewünscht war wohl eher eine goldene Schrift) den Eindruck der Wertminderung und damit die Ärmlichkeit der dargestellten Verhältnisse. Damals mussten wir uns mit wenig zufrieden geben – heute ist das wieder so. Die Verknüpfung der beiden Zeitebenen bewirkt eine Verschmelzung auf der Ebene der Zeicheninterpretation durch den Leser. Die Gestaltung folgt dem Wahrnehmungsgesetz des „gemeinsamen Schicksals“. Das als Aufladung der Wertigkeit des Magazins gedachte Add-on bewirkt genau das Gegenteil: Die Advent-CD wird zum Symbol der Armut und Tristesse.
Die Frage ist auch, welche Zielgruppe NEWS erreichen will. Die CD bietet traditionelle Weihnachtslieder aus den Bundesländern. Damit werden vor allem traditionelle und heimatverbundene Menschen angesprochen. Soziodemografisch eingegliedert eher ältere Personen, niedrigerer sozialer Schicht, die im ländlichen Raum angesiedelt sind. Das Medium CD wird in der heutigen Zeit auch schon immer mehr von modernen Formen wie Download oder mp3-Player abgelöst. Die Liederauswahl ist eine historisch-traditionelle Compilation entgegen dem modernen Zeitgeist.
Fazit
Ein Add-on ist ein Mehrwert zu einem bestehenden Produkt, in diesem Fall eines Magazins. Die Kombination von Cover-Story und Add-on-Botschaft entsprechen in diesem Fall dem mentalen Schema des „Arm-Seins“. Das Add-on schafft genau das Gegenteil von der wahrscheinlichen Intention: Mit der Advent-CD schwingt das Gefühl der geringen Wertigkeit mit und der Leser und Hörer wird emotional in die Botschaft der Headline hineingezogen: „Plötzlich arm“. Und damit nicht genug: Angesprochen werden Menschen, die der Vergangenheit frönen und nicht der, laut News „Medialeistungsdaten 2012“ gewünschten Zielgruppe: 20-59 Jahre, ABC-Schicht. In dieser Ausgabe versuchte man scheinbar die Erweiterung der Zielgruppe auf 60+ und D-Schicht.
Beitrag a3 BOOM! 10.2012