Auf neuen Pfaden – Marktforschung verändert sich. Eindrücke von einer kreativen Marktforschungsmesse Research & Results 2012.

Am 24. und 25. Oktober 2012 fand die jährliche Messe der Marktforscher in München „Research & Results“ statt. Hört sich langweilig an? War es aber nicht! Nachdem wir ein Jahr ausgelassen hatten, waren wir umso positiver überrascht von der Entwicklung der Branche. Ja, die Branche hat sich gemausert. Keine rational-faktischen, steifen Auftritte mehr, sondern vielmehr kreative Einfälle der Selbstdarstellung und neue Methoden standen im Vordergrund.

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Give Aways von Q Agentur für Forschung

Inhaltlich konnte man eine klare Tendenz zu Crowd-Befragungen erkennen. Ob von Q Agentur für Forschung mit den Change Agents, die Innovationen auf Basis des „Design thinking Ansatzes“ aus Harvard erarbeiten oder von Dialego, die durch Konsumentenintelligenz und Co-Creation zu echten Innovationen kommen. Management consult versucht, in einer Längsschnittstudie über mehrere Jahre die critical incidents im Kundenlebenszyklus zu identifizieren – immer mehr Forscher nutzen das Wissen Vieler. comrecon° schlägt auch seit 2 Jahren in diese Kerbe – wir erinnern: 2010 wurden wir für Crowd Research zum Innovationspreis nominiert.

Die Zukunft der Marktforschung liegt immer mehr darin, Menschen aktiver einzubeziehen. Wir müssen mehr zu Feldforschern werden, die in den Alltag der Menschen eintauchen, um ihr Verhalten und ihre Wünsche verstehen zu können. Dabei sollte man sich die „Always-on“-Mentalität der heutigen Zeit zu Nutze machen und die vielfältigen Möglichkeiten der Online-Kommunikation ausschöpfen, wie YouGov am Beispiel einer Co-Creation Case-Study zeigt. Auch bei TNS Infratest und Respondi wurde über Erfahrungen mit Online Communities berichtet und vor allem die Vorteile in den Mittelpunkt gerückt: Gerade die Nähe zur Lebenswelt der Befragten sowie die hohe Dynamik und Flexibilität von Online Communities überzeugen. Wie bei allen Methoden ist auch hier ein sinnvoller Einsatz wichtig – Möglichkeiten und Grenzen müssen erkannt werden. Als erste Anhaltspunkte lieferten TNS Infratest hierzu eine Reihe an Do’s und Dont’s aus ihren Erfahrungen. Gut gefallen hat uns in diesem Zusammenhang auch die Methode von Blauw zum „Mobile Crowdsourcing“. Gemeinsam mit Streetspotr nutzen sie eine App, die Smartphone-Nutzer zu Marktforschern macht. Die Crowd erledigt ihnen auferlegte Jobs wie Auslagen einer Geschäftskette im ganzen Land fotografieren, kommentieren und machen Mystery Shopping. 85.000 Streetspotr sind auf den Straßen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz unterwegs und liefern Datenmaterial. Ein kleines Problem gibt’s noch mit dem Sample: Dies sind doch vorwiegend junge Männer (79% Männer) – mit der Verzerrung muss man (noch) leben. Wir finden das innovativ und genial, weil so simpel!

Im Bereich der Markenforschung tut sich auch einiges: Man ist auf der Suche nach der besseren Beschreibung von Markennähe – so stellte die GfK ihr neues Modell der Markenbeziehungen vor. Die Grundlage der wissenschaftlichen Theorie geht auf die Boston University und hier auf Prof. Susan Fournier zurück. Das Messen mit Metaphern ist nicht neu, aber doch gelingt es der GfK, sehr plakativ zu veranschaulichen, wie sich Marken im Mindset der Menschen verankern und wie man diese emotionale Verankerung doch auch verändern kann. Sie haben 27 Beziehungstypen in vier Dimensionen aufgestellt. So geht dies von der „Heimlichen Affäre“ über den „bewunderten Freund“ oder die „enttäuschte negative Affäre“ bis hin zur „Hassliebe“. Doch nicht nur die Markennähe, sondern auch die möglichen Kontaktpunkte mit der Marke sind entscheidend, wie sich die Marke in den Gehirnen verankert.

Zur Touchpoint-Analyse lauschten wir dem Vortrag von EARSandEYES. Richtig: Touchpoints sind moments of truth und oft vielzu sehr vernachlässigt. Alle Touchpoints sind in der Markenwahrnehmung wesentlich – welche wie stark ist je nach Marke unterschiedlich. Die Kenntnis wesentlich. Aus unserer Sicht extrem wichtig, die Shops, Geschäftsstellen. Nicht nur das Verhalten des Personals, auch das Design und die Anmutung, die Sprache der werblichen Zeichen sind aus unserer Sicht essentiell. EARSandEYES zeigt eine rein quantitative standardisierte Bewertung, die sehr gute KPIs für Trackings und Vergleiche liefert. Um wirkliche Veränderungsoptionen aufzuzeigen, bedarf es jedoch tiefer gehender Analysen, wie zum Beispiel der Semiotischen Shop-Analyse: Hier haben wir schon viele Erfahrungen gesammelt, um Markenbild und Auftritt in Einklang mit den Wünschen und Erwartungen zu bringen.

Im TNS Wissens-Forum haben wir nicht nur den besten Cocktail (antialkoholisch) der Messe getrunken, sondern auch dem Kurzvortrag von Eye Square gelauscht. „20 Sekunden für die Marke“ beschäftigte sich mit dem Implizit Reaktionszeittest. Ja, auch wir erachten diese Art der Analyse als wesentlich, um die impliziten Markenwerte zu erfassen. Explizit bringt viele momentane Einflüsse zutage, implizit erkennt man auch, wie es um die Reputation bestellt ist.

Als weiteres großes Thema der Messe erwies sich eine innovative und zeitgemäße Darstellung von Daten. Ob in Form von Infografiken, Dashboards, Magazinen oder Filmen – durch alle Vorträge zog sich Einigkeit, dass Powerpoint-Präsentationen alleine nicht mehr genügen. Sowohl beim Vortrag von Rich Harvest als auch von Dapresy stand im Mittelpunkt, erhobene Daten für das ganze Unternehmen verfügbar zu machen und die Möglichkeit zu bieten, Informationen schnell zu verbreiten. Schließlich sind die Aufmerksamkeitsspannen heutzutage immer kürzer, wir sind in allen Lebenslagen immer mehr schickes Design gewohnt und müssen mit unseren Ergebnissen von Marketing, Produktentwicklung bis Senior Management die unterschiedlichsten Zielgruppen ansprechen – warum also passen wir das Informationsdesign nicht individuell an die jeweilige Methode und Adressaten an? Ziel sollte es also sein, „den Daten das Laufen zu lernen“, wie Rich Harvest es auf den Punkt bringt. Ein Fragezeichen blieb für uns allerdings bis zuletzt: Wenn Powerpoint-Präsentationen so abgenutzt sind, weshalb konnte dann keiner der Vortragenden darauf verzichten?

Das Highlight in Sachen Innovationsforschung aus unserer Sicht: markt-consult. 70% der Produktneuheiten floppen! Weil: Nicht relevant, neu oder notwendig. Neu allein ist zu wenig. Die Regeln der Kategorie müssen gewahrt bleiben, der relevante Mehrwert ist notwendig. markt-consult postulieren: Es muss anders geforscht werden. Das unterstreichen wir! Der Spiegel schreibt: „Die Marktforschungsgetriebenheit führte in den 90er zu hässlich praktischen Ladenhütern“ – ui, starker Vorwurf. Aber wahrscheinlich auch wahr. Das Problem: Man erforscht nur das heute, es fehlt die Brücke zwischen dem Heute und dem besseren Morgen, man bleibt in existierenden Märkten verhaftet. Das Suchfeld muss also größer werden, man muss im Kontext suchen, ein ganzheitlicher integrativer Prozess ist notwendig. Multi-Sourcing ist ein wesentlicher Faktor: Mafo, Marketing, Produktion, Sales, F&E, Designer, Agentur etc. müssen an einen Tisch. Und ja: Die Semiotische Analyse hat einen wesentlichen Einfluss bei der Betrachtung der Markencodes und der Codes des Frames. Zeichensprache ist im Wandel – welche Wissenschaft ist besser geeignet, dies zu analysieren, als die Semiotik. In Concept und Design Labs werden Designrouten festgelegt, Distinktion und Diskriminierung gegenüber anderen Produkten geschaffen und eine visuelle Positionierung erarbeitet. Innovation kann entstehen!

Weitere Likes der Messe

„Neuland betreten“ mit Dialego

Rogator Lounge – der einzige Ort mit WLAN …

TNS Wissens-Forum

Statt Einordnung unter Viele, Abheben von den anderen: Wissens-Forum von TNS bot den ganzen Tag Einzelworkshops zu 18 Problemlösungen. Gut gemacht, am Puls der Zeit. #Like

Kulinarisch war die Messe ebenso ein Höhepunkt: So gab es neben Hot Dogs, Brezeln, Hühnerkeulen am grünen Rasen, Gemüselaibchen auch etwas für den süßen Zahn wie Muffins oder Panna Cotta mit Beeren. Auch das Kaffeeangebot hat sich (oh wie sind wir dankbar) wesentlich verbessert: von Nespresso bis Barista alles da – bester Kaffee seit Jahren bei Innofact!

Einige Give Aways waren zwar nett – wie kleine Quietschefrösche und Bälle als Mitbringsel für den Hund – erinnern aber wenig an den Absender.

Fazit

Eine gelungene Messe mit vielen Inputs, erstmalig viel Kreativität und Innovation und vor allem wesentlich mehr Ausstellern und auch Besuchern. Hurra, die Marktforschung erlebt einen Aufschwung! Wir hoffen, das schwappt über die Grenzen und auch in die Unternehmen. Ja, Marktforscher sollten künftig Teil des Strategie-Teams sein. Sie sind die Kenner der Menschen, der Bedürfnisse, der Märkte und der Optimierungsmöglichkeiten.

Weiterer Link zur „Research & Results“ Messe

marktforschung.de: Research & Results 2012: Von Insightonkeln, Mafotanten und Gummistiefeln