Was macht eine (gute) Marke aus?
Marken sind im Vergleich zu Nicht-Marken verdichtete Information, Zusatzinformation, Minimierung des Kaufrisikos, Orientierungshilfe, Wiedererkennbarkeit, Vertrauen, emotionaler Anker, Abgrenzung und Wertsteigerung.
Marken sind aufgeladene Zeichen, Bedeutungsträger, die Konsumenten beantworten, warum sie etwas kaufen sollen – nicht nur auf Produktnutzenebene, sondern auch auf der Motivebene, den höher gelagerten Lebenszielen sowie im Umfeld der Konkurrenzmarken. Sie haben ihre narrative Struktur auf der konnotativen Ebene. No Names kommunizieren rein auf der denotativen Ebene. Das Zeichenhafte entsteht erst durch den Interpretant. No Names definieren sich rein über ihren Gebrauchswert und ihre Funktion.
Marken repräsentieren kulturelle Ideale, erstrebenswerte Zustände, Belohnungen, Identität, die sich auf den Besitzer überträgt, Vermittlung von Werten, die von Personen angestrebt werden.
Marken und ihr Zeichen- und Coderepertoire entstehen, man kann sie nicht „machen“. Man kann sie designen, aber sie entwickeln sich im Lauf der Zeit und können auch nur aus ihrer Historie heraus erklärt werden. Sie erzählen Geschichten und haben eine Markenpersönlichkeit, die sich durch Handlungen und Kommunikation ausdrückt.
Marken sind Zeichensysteme, da sie aus einer Vielzahl an Zeichen bestehen. Ein Zeichensystem, das in sich kohärent sein sollte. Und das nicht nur durch die grafische und werbliche Erscheinung, sondern auch durch das Verhalten der Kommunikationsträger im wörtlichen Sinne: z.B. BMW kommuniziert nicht nur durch das Corporate Design, es ist auch der Händler oder der Werkstättenbetreuer, der mich bedient. Zeichen entstehen auf unterschiedlichen Ebenen und werden auch über diese vermittelt – Kommunikation, Darstellung, Verhalten, Angebot etc.
Marken sind bewusst geformte Objekte, die einen bestimmten Zeichencharakter besitzen. Marken stehen für verschwiegene Wünsche. Sie bilden unmittelbar soziale Realität ab.
Marken müssen eigenen Codes entwickeln, ein bestimmtes Zeichenrepertoire aufweisen. Die Semiose der Marke und ihrer Codes führt zur Einzigartigkeit. Das Zeichenrepertoire setzt sich aus mehreren Ebenen zusammen: visuell, verbal, akustisch, Sprache, Schrift, Musik, Farbe, Ästhetik etc.
Aus Sicht der Semiotik gibt es keinen Unterschied, ob die Marke ökonomisch oder nicht-ökonomischer Natur ist – da es ja um die Zeichen und deren Bedeutung geht. Im Falle von Politikern: Es gibt die breite Masse der Politiker und es gibt z.B. Barack Obama oder Angela Merkel – sie repräsentieren etwas, stehen für etwas bzw. eine Partei und eine bestimmte Denkweise. Die setzen Zeichen und manifestieren die Eigenschaften einer Marke in sich: Differenzierung, Individualisierung, Wiedererkennbarkeit, Verlässlichkeit ihrer Handlungen.
Bei der Entwicklung einer Marke muss man die Zusammenhänge der Unternehmensstrategie mit dem Markt, der Gesellschaft und den kulturellen Kontexten, in denen die Marke erfolgreich sein soll, abklären. Eine gute Marke hat eine Markenstrategie und eine Markengestalt. Die Strategie beinhaltet Faktoren des Erfolges hinsichtlich Markttrends, Entwicklungspotenziale von Produkt und Unternehmen, aber auch den gesellschaftlichen Wertewandel. In der Markengestalt manifestieren sich emotionale und kulturelle Zeichen mit Konstanz.
Ich möchte noch anders fragen: Welche Macht hat eine gute Marke?
Marken machen Emotionen, geben Sicherheit und Orientierung in einer unüberschaubaren Produktvielfalt. Das Markenversprechen gibt den Menschen ein Stück „Heimat“, das Gewohnte – mit seiner Marke fühlt man sich wohl oder kann die gewünschten Ziele erreichen. Durch die Markierung schaffen gute Marken einerseits Unterscheidung und andererseits Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft gleichermaßen. Marke kann in diesem Sinne als Sozialcode verstanden werden, eine binäre Codierung im Sinne eines Drinnen und Draußen. Sie haben die Funktion neuzeitlicher Totems. Ihre Macht besteht darin, unsere eigene Wahrnehmung zu bestimmen und auch wie wir selbst wahrgenommen werden (wollen).
Marken sind ökonomische und soziokulturelle Phänomene – womit sie auch Verantwortung tragen. Verantwortung für das Handeln ihrer Verwender. No-Names tragen diese Verantwortung nicht in sich. Sie bieten meist nur den rationalen Vorteil über den Preis.
Wie begreifen/managen wir Marken?
Markenmanagement beginnt im Kopf der Menschen. Das macht es nicht leicht, da sich Verhaltensweisen der Menschen im gesellschaftlichen Umfeld immer wieder ändern und auch die Medienlandschaft von immer größer werdender Vielfalt geprägt ist. Markenkommunikation hat zur Aufgabe, aus gleichen Produkten verschiedene Marken und damit Bedeutungsangebote, Zeichensysteme zu generieren. Marken sind Teil der Kultur und eingebettet in die Werte und Vorstellungen einer Gesellschaft. Menschen folgen unterschiedlichen Motiven, die durch verschiedene Marken bedient werden sollen. Sie bilden einen Pool an Superzeichen, mit denen sich Konsumenten markieren wollen. Umso wichtiger ist es, die Bedürfnisse und Motive der Menschen zu erkennen und anzusprechen. Markenmanagement ist Management der richtigen Codes im Wandel der Gesellschaft, der Kultur, der Werte, des Marktes, der Rahmenbedingungen. Ziel ist es, einen semiotischen Mehrwert zu erzielen.
Management von Marken bedeutet auch, den Markenstatus und das Markenpotenzial sowie die Kontaktpunkte der Marke zu erfassen. In der Marktdiagnose von comrecon° analysieren wir Marken auf unterschiedlichen Ebenen, um das Phänomen ihrer Funktionsweise begreifbar zu machen: Analyse der Syntax der Marke (Logo, CD, Schrift, Farbwelt, Verhalten, Shop-Gestaltung etc.), semantische Bedeutungsmöglichkeiten der Marke und die Pragmatik der Marke (Zeichenverwendung in der Zielgruppe). Die qualitativen Methoden der Markt- und Motivforschung helfen, in die Denkweisen der Menschen einzudringen: Persönliche Dialoge, Tiefeninterviews, Expertengespräche, Milieustudien, Begleitungen im Alltag oder Focus Groups ermöglichen es, die Bedürfnisse zu erkennen und Motive in ihren Verwendungszusammenhängen aufzudecken.
Es ändern sich laufend die Rahmenbedingungen, die Kommunikation und damit auch das Verbraucherverhalten! Wenn sich Unternehmen nicht anpassen bzw. dies nicht erkennen, werden es ihre Marken schwer haben, den Bedürfnissen gerecht zu werden.
Viele Unternehmen leben noch Marketing 1.0 mit Fokus auf dem Produkt. Marketing 2.0 hat den Fokus am Verbraucher und definiert den Wert des Produktes. Marketing 3.0 muss aus Sicht von Kotler – und ich stimme ihm dabei voll zu – beim Menschen ansetzen! All die Diskussion um das Wesen „Konsument“ und „Verbraucher“ wirken absurd. Es handelt sich um Menschen, um Communities, die gleiche Bedürfnisse und Erwartungen haben und den gleichen Werten folgen. Unternehmen und auch Marktforscher sind gefordert, Menschen als Ganzes wahrzunehmen, in ihren Alltag eingebettet und nicht situativ losgelöst. Unternehmen und Marken sind Teile eines Gesamtsystems mit vielen Einflussfaktoren. Nur durch Beobachten, Erkennen und Verstehen sind wir künftig in der Lage, Bedürfnisse und Erwartungen zu befriedigen. Dies untermauert einmal mehr die Verantwortung von Marken für die Entwicklung von Produkten in gesättigten Märkten. Wir leben nicht nur im Zeitalter der Transparenz, sondern auch der Mitwirkung. Wir sind Prosumenten, die miteinander kommunizieren und interagieren und keiner Unternehmenshörigkeit folgen. Verbraucher sind keine Einzelpersonen mehr. Sie sind Netzwerke! Marketing findet auch zwischen den Verbrauchern statt! Verbraucher sind die neuen Besitzer und Botschafter der Marken. Das müssen wir erkennen und das Management der Marken anpassen.
Was würden wir gerne über Marken wissen bzw. mit Marken machen können?
Das Verstehen von Marken wird immer komplexer. Grund dafür sind neue Kommunikationsmöglichkeiten und -kanäle. Dabei das Phänomen Marke zu erklären, bedarf eines komplexen Analysemodells.
Das Bestreben von comrecon° ist es, mit Hilfe der Semiotik und der Marktdiagnose, kohärente Markenwelten und damit starke Positionierung und Abgrenzung gegenüber anderen Marken herzustellen. Die Wahl der richtigen Zeichen und Codes ist entscheidend für die Bedeutungsvermittlung und Wahrnehmung.
Aus meiner Sicht dient (semiotische) Marktforschung dem Zweck, den Menschen die Marken, Produkte und Sinnangebote zu bieten, die sie in ihrem Alltag zur (übergeordneten) Zielerreichung benötigen und suchen. Marken können in diesem Sinne als Sinnstifter fungieren und tragen damit wie bereits weiter oben erwähnt soziale Verantwortung in sich.