Politische Werbung ist ein Kapitel für sich. Das Spannungsfeld zwischen Aufmerksamkeitserregung, Informationsvermittlung und Seriosität ist ein weites. Wahlkampf – im Wort selbst schwingt bereits die Macht mit, der Stärkere wird gewinnen. Bei manchen Wahlplakaten sieht man mehr Machtdemonstration als bei anderen. Macht wird durch Kompetenz oder Provokation demonstriert. Nachweis für die Kompetenz sind die besetzten Themen.
Geht es dabei nur um die Aufmerksamkeitserregung inmitten der Reizüberflutung? Geht es darum, politisch passive Wählerschichten zu aktivieren – nämlich für die Partei zu stimmen?
Wahlwerbung fungiert als Wegweiser und Orientierungspunkt für Wähler. Wie auch bei jeder anderen Werbung ist es wichtig, die Botschaft auf das Wesentliche zu reduzieren – auf die Kernaussage. Also: Reduktion komplexer Themen auf einen einfachen Satz. Sie müssen sofort verständlich sein, die Person fesseln, Interesse wecken, kontrastreich sein, Sympathie wecken und Betroffenheit auslösen.
Aufmerksamkeit! Diese wird nur erreicht, wenn gesellschaftliche Werte oder Werte von Gruppierungen angesprochen werden. Wahlwerbung muss emotional sein, teilweise polarisieren. Die Wählergruppen müssen sich in den Wahlversprechen und -botschaften wiederfinden. Und sie müssen den Botschaften eine persönliche emotionale Bedeutung beimessen. Emotionalität ist eng gekoppelt an Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit. Wahlwerbung muss demnach vertrauensbildend sein – man muss der Partei glauben, dass sie das auch macht, was sie verspricht.
Wähler schenken der Partei ihren Glauben, weil sie primär sympathisch ist und nicht, weil sie die einzig wahren Argumente besitzt.
Sympathie hängt meist an Personen. Diese müssen in der Kampagne auftreten und die Partei vertreten. Über Personen lässt sich mehr Emotionalität, aber auch Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit kommunizieren.
Zentrale Aufgabe der Wahlwerbung: Mobilisierung von Wählern und Erzeugen von Interesse. Wähler mobilisiert man mittels visualisierender Botschaften, die einfach verständlich und (be-)greifbar sind. Wahlwerbung muss Lebenswelten aufbauen und diese vermitteln, um den Wähler in seiner Welt abzuholen. Erst dann fühlt er sich verstanden und bestätigt in seiner Wahlentscheidung.
Austauschbarkeit: Ist das Todesurteil jeder Werbung. Bei der Wahlwerbung muss noch viel stärker auf die Abgrenzung geachtet werden. Das einzigartige Erlebnisprofil und eine individuelle visuelle Rhetorik müssen eingesetzt werden.
Bei desinteressierten Wählern entscheidet in der Regel nicht der Inhalt der Botschaft über die Akzeptanz, sondern die gefällige und unterhaltsame Gestaltung.
Die traurige Wahrheit: Gefallen geht über Verstehen!
Das heißt, dass erst die Herstellung von Akzeptanz für die Erzeugung von Bedeutung wichtig ist. Wenn ein Thema Akzeptanz gefunden hat, also emotional akzeptiert wird, kann ihm Bedeutung zugesprochen werden, vorher nicht. Wahlwerbung findet „im Bauch“ des Wählers statt.
Kompetenz dürfen wir aber nicht außen vor lassen. Neben all der Emotionalität müssen Wahlversprechen einen Informationsgehalt aufweisen und Issues (Themen) besetzen. Die Partei positioniert sich, wenn sie exklusive Kompetenz bei bestimmten Themenbereichen zugesprochen bekommt. Kompetenzvermittlung vollzieht sich durch einen emotionalen Bedürfnisappell und über die Information über die Kompetenz, dieses Bedürfnis zu befriedigen.
Angst als Wahlkampfwaffe
Übertriebene Darstellungen bzw. Ausschnitte der Wirklichkeit bauen Feindbilder auf, zeigen Konsequenzen und Folgen auf und schüren damit latente und manifeste Ängste. Wichtig dabei: Die Angst muss auf einer persönlichen Ebene ansetzen. Globale Ängste (wie Umweltzerstörung, Klimawandel etc.) finden nicht den direkten persönlichen Zugang und lösen damit selten persönliche Ängste aus. Persönliche Ängste bedrohen die aktuelle Lebenssituation (Arbeitsplatzverlust, Ausländer im eigenen Land, mehr Gewalt etc.). Wenn die Partei es schafft, diese Ängste mit Kompetenz abzuwenden, findet sie direkten Zugang „in den Bauch“ der Wähler – Akzeptanz.
Hoffnung als Wahlkampfwaffe
Auch positive emotionale Auswirkungen haben ihren Effekt auf die Wähler – siehe US Wahlkampf von Barack Obama. Durch Glaubwürdigkeit und Kompetenz hat er Hoffnung an die Wähler vermittelt.
Die Quadratur des Kreises
„Emotionen spielen auch bei der Bewertung von Politik eine Rolle, etwa die Angst vor Veränderungen. […] Eine Untersuchung zeigt: Die beiden unbeliebtesten Wörter sind ,Reform‘ und ,Stillstand‘, beides wollen die Leute nicht. Das ist die Quadratur des Kreises! In den vergangenen Jahren ist in der Politik vergessen worden, den Sinn der politischen Maßnahmen zu erklären. Es hat außerdem etwas mit der deutschen Mentalität zu tun: Unser Land ist nach dem Krieg als Konsensgesellschaft aufgebaut worden, auch als Antwort auf die Zersplitterung des politischen Systems in der Zeit der Weimarer Republik. Dieses Konsensprinzip macht uns leider auch veränderungsscheu.“
Michael Spreng, deutscher Journalist, am 20. Dezember 2004 im Interview mit der Frankfurter Rundschau.
Sein Politik-Blog ist zu finden unter: https://www.sprengsatz.de/