Die versteckten Botschaften der Wahlplakate. Eine semiotische Analyse der Wahlplakate zur Nationalratswahl 2019 in Österreich
Wir erleben wie jedes Mal einen Wahlkampf der Mimik, Gestik und auch der Bildbotschaften und geschriebenen Versprechen. Wir werfen einen Blick darauf: Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte. Auch im Wahlkampf.
In a nutshell: Sebastian Kurz präsentiert sich als primus inter pares mit dem Ziel Klarheit und Stabilität zu schaffen. Das Dreamteam Norbert Hofer und Herbert Kickl – gemeinsam Bestehendes bewahren und Gefahren verhindern. Pamela Rendi-Wagner als schwache Heldin, die das Volk braucht und Verantwortung abgibt. Die Grünen, die uns zum Perspektivenwechsel führen, aber uns ebenso mit der Buntheit überfordern. Die Neos, die mit komplexen Botschaften nur Insider erreichen.
ÖVP – eine klare Storyline und Inszenierung eines „Helden“
Bei der ÖVP sieht man eine klare Storyline durch die verschiedenen Werbewellen.
In der ersten Welle wurde Sebastian Kurz klar als einer von uns inszeniert. Gemeinsam mit Menschen, als primus inter pares. Er agiert auf Augenhöhe, lacht und zeigt Aufmerksamkeit gegenüber anderen. Die Plakate sind auch sehr stimmig und klar aufgebaut: Lesefluss von links oben nach rechts unten. Die Doppelung von „Die neue Volkspartei“ ist kein Zufall. Wir lesen links oben worum es geht, entschlüsseln Bild und Textbotschaft und finden den Schlusspunkt wieder im Absender und vor allem der klaren Handlungsaufforderung des Kreuzchens vor ÖVP.
Die türkisen Linien gehen erst nach unten, dann nach oben, Sebastian Kurz darin eingebettet. „Das ist mein Kanzler“ antizipiert, dass er Kanzler ist und bleiben soll.
„Einer, der am Boden bleibt.“ zeigt ehrliche Freude und Spaß. Sowohl bei Sebastian Kurz als auch beim kleinen Buben. Bild und Text verstärken einander in der Botschaft: Kurz ist geerdet, hat Spaß, ist menschlich und nahbar. Auch, wenn er Hemd und Sakko trägt.
„Einer, der unsere Sprache spricht.“ zeigt Sebastian Kurz in privater Kleidung – er ist auf Augenhöhe mit der Bevölkerung. Inmitten der Natur spricht er mit zwei Frauen beim Wandern. Es ist ein echtes Gespräch. Wir sehen Kurz, wie er der Frau zuhört.
„Einer, der in Europa Stärke zeigt“ zeigt Kurz inmitten von Journalisten, bedrängt und dennoch wirkt er gelassen, stark und den Fragenden zugewandt. Seine linke Schulter leuchtet heroisch. Er zeigt Lockerheit und Rückgrat. Er vermittelt hier Stärke und Einsatz. In Kombination mit dem Text erleben wir auch hier eine Verstärkung der Botschaft: Er zeigt da draußen Stärke für uns.
„Einer, der auf unsere Werte schaut.“ Werte sind ein wichtiges Wort. Gesellschaften wollen ihre Werte nicht verletzen. Welche Werte das sind, sehen wir durch die Abbildung der Personen: Es sind die älteren Generationen, die Halt in der Gesellschaft behalten wollen. Irritierend ist hier jedoch die Text-Bild-Kombination: Der Hauptakteur ist der ältere Mann mit dem erhobenen Zeigefinger. Sein Mund leicht geöffnet, er spricht gerade. Kurz sehen wir unscharf von hinten und er ist weiter oben als die anderen Personen. Die Gestik des älteren Mannes in Kombination mit dem Text ergibt eine ungewollte Entschlüsselung: Hier wird nämlich ausgessagt, dass der ältere Mann derjenige ist, der auf unsere Werte schaut, nicht Kurz. Eine andere Gestik des älteren Mannes wäre hier besser gewesen. Beispielsweise ein wohlwollendes Zuhören und Nicken.
Die erste Werbewelle zeigt also Sebastian Kurz in vielen Rollen, jedoch immer menschlich, geerdet, sicher und souverän. Die vermittelten Werte dieser Welle: bewahren, Sicherheit, Erdung, Menschlichkeit und Nähe.
Die zweite Werbewelle zeigt eine klare Botschaft – ich schaffe Klarheit:
Die Farbgebung des Bildes ist auch zu bemerken: Als wäre ein leichter Silberfilter über sein Gesicht gelegt. Er wirkt klar, fein, glatt und ein wenig stählern. In seinem Rücken die Österreich-Fahne und der Blick zurück zu dem was ist und war. Er ist bereit, Klarheit zu schaffen und den Weg zu ebnen. Nun sehen wir rechts unten wiederum eine klare Aussage, diesmal: „Österreich braucht seinen Kanzler!“ Ein klarer Appell an die Bevölkerung, eine Feststellung.
Fazit zur Wahlkampagne der ÖVP
Die ÖVP inszeniert ihren Spitzenkandidaten Sebastian Kurz als Helden, der dem Volk nahesteht. Er ist primus inter pares, einer von uns, der unsere Sprache spricht. Er präsentiert sich stark, geerdet und bereit aufzuräumen und Klarheit zu schaffen. Eine klare Storyline ist erkennbar: Zuerst zeigt er sich als Teil der Gesellschaft und dann geht er gestärkt im Sinne des Volkes hinaus, um Klarheit zu schaffen.
FPÖ – Good Guy / Bad Guy mit verschiedenen Botschaften
Die FPÖ trumpft auf mit dem Prinzip Good Guy / Bad Guy und präsentiert zwei Frontmänner mit Norbert Hofer und Herbert Kickl. Auffällig, dass Norbert Hofer sich als der Fröhliche und Lachende präsentiert. Kickl kommt mit ernsten Themen und pocht auf Sicherheit und Kontrolle. Auffällig ist, dass die Plakate keine Storyline haben, keinen roten Faden, uneinheitlich wirken. In der Vergangenheit hat die FPÖ dies perfekt beherrscht.
„Einer, der unsere Werte noch lebt.“ Ein ähnlicher Spruch wie bei Kurz. Wer hat’s erfunden? „Einer, der …“ ist sehr beliebt, wie wir sehen, denn er wird von Kurz, Hofer und Kickl verwendet. Er hebt Einzelpersonen hervor und präsentiert sie in ihrer Stärke und ihrem Versprechen nach Außen.
Hofer präsentiert sich in der Natur, jedoch ist der Hintergrund kühl, blass und wirkt kalt. Das Stahlgitter ist ein Zeichen. Es steht für Abgrenzung, seine Hand am Zaun zeigt, dass er es im Griff hat. Hätte er Natur und mehr Natürlichkeit vermitteln wollen, wäre mehr Farbigkeit zu sehen und auch das Gitter wäre z.B. aus Holz gewesen. Die Jacke ist ein Zeichen: Jack Wolfskin ist die Outdoor-Marke der breiten Masse. Darunter sehen wir ein Hemd – er ist doch noch in seiner Rolle, also nicht ganz privat.
Die Frage stellt sich hier nach den Werten. Der Text kann die Bildbotschaft nicht verstärken. Am ehesten noch wird der Wert der Sicherheit (Stahlgitter) subtil vermittelt.
„Fair. Sozial. Heimattreu.“ zeigt Hofer vor und in einer mit Pinsel gemalten Rot-Weiß-Rot-Fahne. Er verschmilzt quasi damit. Das Logo ist links oben – zuvor war es rechts oben. Botschaft hier: Koalition fortsetzen. Mit einem Lachen im Gesicht. Das Bild ist Ausdruck von Beständigkeit. Die Punktion unterstreicht jeden einzelnen Wert, es ist keine reine Aufzählung. Die Werte sind Begriffe, mit denen jeder Mensch eine Verbindung hat – dadurch spricht er damit die breite Masse gut an.
„Einer, der unsere Sprache spricht.“ zeigt einen Herbert Kickl, der seine Hände so hält, als würde er etwas besonderem Ausdruck verleihen wollen, er das Verstehen vom Gegenüber einfordert und die Dringlichkeit betont. „Unsere“ ist nicht die Gesellschaft, sondern die Polizei. Kickl steht für Kontrolle und dafür, dass er mit der Fahne im Rücken Gesetze durchsetzen kann.
„Einer, der unsere Heimat schützt.“ zeigt Herbert Kickl vor einer Landschaft montiert – er ist nicht Teil davon. Der Hintergrund soll das Wort „Heimat“ untermauern. Aber Heimat ist ein Gefühl und nicht nur Berge. Sein Blick ist starr, ernst und frontal zum Betrachter ausgerichtet. Das Plakat ist wiederum anders aufgebaut als das mit Norbert Hofer.
„Mit Sicherheit für Österreich.“ Kickls Handhaltung sagt: „Begreifst du das?“ Seine Hände haben etwas Bewahrendes, er will etwas verständlich machen. Auch hier die Flagge als Pinselstrich – Kickl gestaltet Österreich. Er will etwas fortsetzen und bewahren.
„Zu, die zu Euch halten“. Jene Plakate, wo beide als Duo auftreten und den Zusammenhalt ausdrücken. „Zu euch halten“, „für dich“ sind klare Ansagen, klare Versprechen. Das Motiv: füreinander da sein, sich einsetzen, zusammen mehr erreichen. Stabilität wird vermittelt. Norbert Hofer ist der, der freundlich in die Zukunft blickt, während Herbert Kickl leicht zur Seite blickt. Ernst, fokussiert – er hat wie immer alles im Blick.
Die zweite Werbewelle zielt ab auf die Vermeidung von angenommenen Gefahren:
Nun versucht die FPÖ, die drohende Gefahr durch „Falschwahl“ zu verhindern und zeigt auf, was man nicht wollen sollte. Es geht nicht mehr um Versprechen des Tuns, sondern um klaren Mitbewerb. Bei allen Sujets sehen wir die Fahne mit dem Bundesadler, um die Förmlichkeit zu untermauern. Die Bild-Text-Kombination wirkt bei beiden „Schwarz-Grün gefährdet DEINE Zukunft.“ irritierend und unstimmig. Norbert Hofer lacht ohne ersichtlichen Grund. Es herrscht Gefahr! Und Herbert Kickl hat auch einen für ihn seltenen Grinser im Gesicht. So, als was würde er es selbst nicht so ernst nehmen, was er sagt. „Ohne uns kippt Kurz nach links“ hingegen spiegelt die Ernsthaftigkeit in seiner Mimik wider.
Fazit zur Wahlkampagne der FPÖ
Die Chancen werden durch das Duo erhöht. Jedoch fällt auf, dass der Stil der Plakate – im Gegensatz zu früheren Zeiten – ungeordnet, unstrukturiert und teilweise in Bild-Text-Botschaft unstimmig ist. Die beiden wollen Bestehendes erhalten, Gefahren verhindern, sie wollen ein Miteinander, sind für „euch“ da und wollen Einigkeit und Stabilität bewahren. Die klaren Versprechen fehlen.
SPÖ – Eine schwache Heldin für mehr Menschlichkeit
Die SPÖ hat einen Claim mit vielen Versprechen. Allen liegt die Hoffnung, die heile Welt zugrunde. Die hier dargestellte „Menschlichkeit“ hat vielmehr mit Fairness und Gerechtigkeit zu tun. Die roten Textfelder wirken wie ein Abrissband mit Buchstaben. Diese wurden untereinander geklebt, mal geht der Streifen nach oben, mal nach unten. Die Botschaften wirken dadurch zerrissen und willkürlich. Auch Text und Claim finden sich immer wieder an verschiedenen Stellen. Es ist keine Einheitlichkeit ersichtlich.
„Nur gemeinsam schaffen wir es aus der Klimakrise.“ zeigt Pamela Rendi-Wagner mit einer Gruppe an Personen vor einem natürlichen Hintergrund – jedoch sieht man deutlich, dass sie vor einer Kulisse stehen. Das Szenario ist also nicht echt, es ist künstlich. Auch bei Mimik und Körperhaltung sieht man viele subtile (falsche) Botschaften. Die Frau rechts neben ihr hat eine leicht abgewandte Körperhaltung. Auch Rendi-Wagners Oberkörper ist leicht nach hinten gebeugt. Ihre Hände sind nach oben offen, sie versucht etwas zu erklären. Ihre Mundwinkel nach hinten zeigen leichte Unsicherheit und auch den Nachdruck, dass sie will, dass ihr Gegenüber sie versteht. Das Gegenüber aber zeigt einen eher skeptischen Blick. Auch der Mann rechts hinten mit dem grünen Shirt wirkt eher skeptisch als zugewandt. Und auch der Mann mit dem blauen Shirt – er hat seine Oberlippe leicht nach oben gezogen – er zweifelt. Einzig die Frau mit dem „Planet B“ T-Shirt zeigt Zugewandtheit, wirkt aber sehr gestellt. Rendi-Wagner versucht die Personen zu überzeugen, aber es gelingt ihr nicht. Sie wirkt schwach.
„Nicht länger warten: Erstklassige Medizin für alle.“ zeigt auch eine Menschengruppe im montierten Grün. Die Frau und der Mann im grünen Shirt sind die gleichen wie am vorigen Plakat. Die beiden älteren Personen zeigen unglaubwürdige Mimik. Vor allem die ältere Dame wirkt skeptisch: Ihr Kopf ist leicht geneigt, die Lippen leicht nach hinten gezogen und ihr Blick geht zum Betrachter. Der älterer Mann blickt in Rendi-Wagners Rückseite, er blickt starr und ernst. Einzig das kleine Mädchen freut sich. Doch was haben Bild und Text miteinander zu tun? Die Botschaften ergänzen oder erklären einander nicht.
Die Einzelsujets zeigen Rendi-Wagner ernst und lachend vor natürlichem Hintergrund. Das mittlere Sujet ist unstimmig in Bild und Text: Wieso lacht sie bei der Botschaft? Die roten Textstreifen gehen kreuz und quer, wirken wackelig und instabil. Das rechte Sujet wirkt am klarsten und vermittelt, wofür sie steht. „Wenn du sie wählst.“ zeigt, dass Rendi-Wagner die personifizierte Menschlichkeit sein soll. Und die Aufwärtsbewegung des Streifens zeigt auch einen Aufwärtstrend.
Fazit zur Wahlkampagne der SPÖ
Pamela Rendi-Wagner präsentiert sich als schwache Heldin, die unsicher vom Plakat blickt. Sie gibt die Verantwortung an die Gesellschaft ab. Sowohl auf der Bild- als auch auf der Textebene: „man“, „gemeinsam“, „muss man“ etc. Die Plakate zeugen eher von Zerrissenheit als von Stärke, etwas zu verändern. Das „M“ in Herzform hätte Potenzial für ein starkes Symbol, wird aber nicht weiter genutzt oder aufgeladen.
Die Grünen – Bewusstseinsbildung und Comeback wichtiger Themen, die in der Buntheit absaufen
Werner Kogler als Spitzenkandidat präsentiert sich in einer Körperhaltung der Bereitschaft und Ernsthaftigkeit. Mit dem Text schaffen Die Grünen etwas außerordentlich Cleveres: Die Frage „Was würde … wählen“ ist eine projektive Frage, nahezu hypnotisch. Sie führt uns aus unserer engen Denke heraus und lässt uns die Dinge anders betrachten. Nämlich aus der Sicht des Klimas zum Beispiel. Die Buntheit und die knalligen Farben auf den Plakaten machen dies jedoch wieder kaputt. Schwere Lesbarkeit und Entschlüsselung der Bildbotschaft machen dem Betrachter die Entschlüsselung schwer.
„Saubere Umwelt. Saubere Politik.“ Werner Kogler zeigt in diesem Sujet mit seiner Körperhaltung Bereitschaft. Er stellt sich dem Thema, ist bereit. Man sieht aber auch, dass seine Hüfte leicht einknickt, wodurch eine leichte Schwäche signalisiert wird. Das Hemd ist ein seriöses Zeichen, die Hemdsärmel sind hochgekrempelt. Auch das zeugt von der Bereitschaft.
Das rechte Sujet zeigt Kogler etwas näher, der Text wird kürzer: „#Comeback Saubere Politik“ wirkt eindringlicher als die linke Botschaft. Das Gesicht ist offen und freundlich.
Weitere Plakate zeigen massive Textbotschaften, die vor bunten Hintergründen in knalligen Farben erscheinen. Diese Dominanz der Farbe wirkt fast penetrant, sie ist auffällig, aber dennoch schwer dekodierbar. Die Bilder im Hintergrund sind kaum erkennbar, der Text sauft regelrecht in der Buntheit ab. Einzig das erste Sujet wirkt klar als Botschaft: Text auf grünem Hintergrund.
Was den Grünen dennoch mit dem Text gelingt, ist, dass sie Menschen dazu bringen, dass sie aus ihrer Denke herauskommen. Es ist quasi eine hypnotische Frage, „Stell dir mal vor, das Klima könnte wählen. Wer wäre das?“ Die Antwort könnte „Die Grünen“ lauten und möglicherweise nicht die sonst favorisierte Partei. Der Text schaffst es also, über den Tellerrand zu blicken, die Perspektive zu wechseln und kurz innezuhalten. Wem das Thema generell egal ist, wird auf die Botschaft auch nicht reflektieren.
Die Bild-Text-Kombi wirkt jedoch knallig, kompliziert, verworren und erreicht damit die Betrachter nicht in der gewünschten Form.
Die hier vermittelten Werte sind Anstand, Vernunft, Miteinander und Zukunft.
Fazit zur Wahlkampagne der Die Grünen
Die Grünen appellieren an die Vernunft und wollen Veränderung. Es geht ihnen in den Botschaften um Bewusstseinsbildung und das Comeback nicht nur für die Grünen, sondern vor allem für die transportierten Themen Klimaschutz, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung usw. Die Texte fallen jedoch der Buntheit zum Opfer.
Die Neos – Schwierige Botschaften für einen Kreis an Eingeweihten
Neos schwimmen gegen den Strom und wollen Bestehendes verlassen – dies sieht man auch in den Plakaten.
In der ersten Werbewelle der Neos war noch Farbe in den Plakaten, es präsentierte sich nicht nur Beate Meinl-Reisinger. Die langen Textbotschaften erfordern viel Aufmerksamkeit und sind auch inhaltlich fordernd. Die Entschlüsselung wird erschwert durch den entgegengesetzten Lesefluss von rechts oben beim Logo über die Mitte mit der Vertreterin nach links unten zu Text und Absender.
Im letzten Wahlkampf waren die Neos noch komplizierter mit den rückwärts geschriebenen Botschaften. Man kann also von einer leichten Verbesserung sprechen.
Die nächsten Plakate sind wie auch schon wie früher in Schwarz-Weiß gehalten. Was im Umfeld zwar auffällt, ist von der Bedeutungsgebung jedoch stark reduziert. Schwarz-Weiß ist farblos, damit weniger lebendig und erinnert an vergangene Zeiten. Der Text wird kürzer, aber dennoch für die Masse nicht klarer. Ihr Blick geht bei der Textbotschaft „Umwelt & Wirtschaft verbinden. Macht sonst keiner“ in Richtung Vergangenheit (Blick nach links). Ein Mundwinkel ist leicht nach oben gezogen, was auf Überlegenheit hinweist. Der Claim im rosa Kasten erklärt nicht, was in der weißen Headline gemeint ist. Dafür ist die Headline zu abstrakt und kann nur von politisch versierten Personen verstanden werden. Der rosa Kasten hat eine nach hinten gerichtete Schräge, die das Gesagte quasi abbremst. Dies ist bei den Folgesujets dann nicht mehr der Fall.
Die nächste Werbewelle wurde heller, Graustufen statt Schwarz-Weiß wirkt etwas freundlicher und Meinl-Reisinger lächelt mehr. Die Frage ist nur, ob dies zur Botschaft stimmig ist. „Bildung über alles stellen“ ist wie eine Headline in einer Tageszeitung, die dann eines weiterführenden Artikels bedarf. Als Versprechen am Plakat ist sie zu abstrakt, um die Masse zu erreichen.
„Postenschacher stoppen“ mit Blick in die Zukunft wirkt ebenso unstrukturiert im Bild-Text-Aufbau. Das Auge muss sich erst zurechtfinden. Ein Blick in die Vergangenheit wäre hier besser – zurückschauen auf das was nicht gut läuft und das beenden.
Die letzte Plakatwelle wird noch heller, Meinl-Reisinger erstrahlt fast in einem hellen Grau. Sie lacht, schaut freundlicher. Die Botschaften bleiben jedoch gleich abstrakt und lassen teilweise Fragen offen, was denn da genau gemeint ist.
Werte, die vermittelt werden: Mut, Bestehendes verlassen, gegen den Strom schwimmen, Kompliziertheit.
Fazit zur Wahlkampagne der Neos
Die Neos reduzieren auf die Ratio, präsentieren sich mit schwierigen Botschaften, die Know-how voraussetzen. Schwarz-Weiß bzw. Graustufen fallen im Mitbewerb zwar auf, jedoch sehen wir Farblosigkeit und damit weniger Lebendigkeit als bei den anderen Parteien. Die Botschaften richten sich an Neos-affine, aber nicht an die breite Masse.
Fazit Wahlwerbung zur Nationalratswahl 2019
Die einzelnen Parteien inszenieren ihre Helden auf unterschiedlichste Art.
Reihung nach Klarheit und Stärke der Botschaften:
- ÖVP: Die klarste Botschaft hat die ÖVP mit einer klaren Storyline und einem Helden, der als primus inter pares auftritt.
- FPÖ: Die FPÖ punktet durch das Good Guy / Bad-Guy-Spiel und der Bestärkung, dass es Einigkeit und Stabilität braucht.
- Die Grünen: Vernunft, Veränderung, Umdenken und Comeback wichtiger Themen stehen im Vordergrund, werden aber von der Buntheit der Bilder erschlagen.
- SPÖ: Eine schwache Heldin wird uns präsentiert, die die Verantwortung abgibt und Hilfe in der Gesellschaft sucht.
- Neos: Nicht für alle! Gegen den Strom als Motto – auch bei der Gestaltung der Plakate. Bestehendes Verlassen, anders sein. Jedoch wirkt es kompliziert und nicht einfach.