Die Brösel mit dem Billa-Semmerl

© Karl Grammer, Universität Wien

Wollen wir nicht alle die beste Qualität? Und sind wir nicht auch froh, wenn sich Anbieter um die beste Qualität bemühen? Warum erregt die Billa Backshop-Kampagne dennoch die Gemüter? Es gilt der Vorwurf des Rassismus – doch welche Zeichen deuten auf Ausgrenzung hin und warum halten das andere wiederum für übertrieben?

Wir benötigen Ihre Zustimmung um den Inhalt von YouTube laden zu können.

Mit dem Klick auf das Video werden durch den mit uns gemeinsam Verantwortlichen Youtube [Google Ireland Limited, Irland] das Video abgespielt, auf Ihrem Endgerät Skripte geladen, Cookies gespeichert und personenbezogene Daten erfasst. Damit kann Google Aktivitäten im Internet verfolgen und Werbung zielgruppengerecht ausspielen. Es erfolgt eine Datenübermittlung in die USA, diese verfügt über keinen EU-konformen Datenschutz. Weitere Informationen finden Sie hier.

Jmx0O2RpdiBjbGFzcz0mcXVvdDt4LXJlc3AtZW1iZWQgeC1pcy12aWRlbyB4LWlzLXlvdXR1YmUmcXVvdDsmZ3Q7Jmx0O2lmcmFtZSB0aXRsZT0mcXVvdDtCSUxMQSBCYWNrc2hvcCZxdW90OyB3aWR0aD0mcXVvdDs5ODQmcXVvdDsgaGVpZ2h0PSZxdW90OzU1NCZxdW90OyBzcmM9JnF1b3Q7aHR0cHM6Ly93d3cueW91dHViZS5jb20vZW1iZWQvSm5ZSlJKWmd6Q1U/ZmVhdHVyZT1vZW1iZWQmcXVvdDsgZnJhbWVib3JkZXI9JnF1b3Q7MCZxdW90OyBhbGxvdz0mcXVvdDthY2NlbGVyb21ldGVyOyBhdXRvcGxheTsgY2xpcGJvYXJkLXdyaXRlOyBlbmNyeXB0ZWQtbWVkaWE7IGd5cm9zY29wZTsgcGljdHVyZS1pbi1waWN0dXJlOyB3ZWItc2hhcmUmcXVvdDsgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuJmd0OyZsdDsvaWZyYW1lJmd0OyZsdDsvZGl2Jmd0Ow==

Der Spot versetzt uns in eine fiktive Welt, in der Gebäck menschliche Körpereigenschaften und Gesichtszüge trägt, spricht und menschliche Emotionen zeigt. Die Personifizierung von Kornspitz, Sesam-Kornspitz, Mohnweckerl und Semmel lassen uns die Gebäckstücke menschlich erscheinen. Wir sehen Trauer und Mitleid beim Sesam-Weckerl, Scham bei der Semmel und Aggression beim Mohnweckerl. In der dargestellten Welt gibt es nur gut und schlecht und einen, das Mohnweckerl, der darüber entscheidet. Rein optisch gibt es keinerlei ersichtliche Qualitätsunterschiede zu sehen.

Die „Wunsch-Karriere” ist mit anderen im Backshop zu landen. Selbst hat das Gebäckstück nicht viel dazu beigetragen, ob es eintreten darf oder nicht – allein die Herkunft ist entscheidend.

Das Mohnweckerl trägt die Rolle des Türstehers und entscheidet über das Schicksal des Semmerls – es zeigt klare Anzeichen von Aggression: Die Augenbrauen gehen zusammen, der Körper richtet sich nach vorne und seine Sprachintonation ändert sich beim Satz: „Hier kommt man nur frisch vom Meisterbäcker rein.” Ein leichtes Schönbrunnerdeutsch ist hörbar. Ein Soziolekt, der die Erhöhung des Guten hervorhebt. Zur Erinnerung: Der Adel oder das Königshaus haben damals so gesprochen und sich somit vom Pöbel abgehoben.

Ja, „sterben” – bzw. in diesem Fall gegessen – werden alle. Doch, den Unterschied macht das wie: Die Semmel wird zu Semmelbröseln zerkleinert werden.

Betrachtet man die einzelnen Elemente und Zeichen im Spot, so erfahren wir, was unbewusst in unseren Köpfen abläuft. Durch den vergilbten Darstellungs-Stil und die feinen Bleistift-Konturen assoziieren wir automatisch vergangene Zeiten in denen Ausgrenzung und Rassismus an der Tagesordnung stand. Plötzlich verändert sich der Kontext und die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Herkunft wird zum Leitthema und nicht wie intendiert die Qualität. Gerade in der heutigen Zeit ist Rassismus durch die Flüchtlingsdebatte wieder top aktuell und „humoresk” dargestellte Ausgrenzung unpassend. Zudem reagieren wir empathisch mit dargestellten Emotionen. Wenn also das Sesamweckerl Trauer zeigt, wird Trauer und Mitleid mit dem Semmerl auch (bei dem einen oder anderen) Betrachter ausgelöst.

Wenn man die historischen Parallelen ausblendet und den „Ausschuss”, also die Semmel auf die erstrebte Qualität des Gebäcks bezieht, so bestätigt der Satz des Hausverstands „Wer ins beste Haus will, muss aus bestem Hause kommen.”, dass man Ausgrenzung leben darf. Denn es geht wieder um die Bewertung aufgrund der Herkunft.

Fazit

Bei der Geschichte treten durchaus Analogien zu geschichtlich zurückliegenden Ereignissen zutage, die ebenso von Ausgrenzung und Verachtung aufgrund der Herkunft geprägt waren. Entschärft wird die rassistische Botschaft dadurch, dass es keine erkennbaren Unterschiede oder Kennzeichen für die Andersartigkeit gibt als die Namenlosigkeit. Billa sollte dennoch anerkennen, dass diese Botschaft höchst sensibel und auch im aktuellen politischen Kontext unpassend ist. Auch wenn viele Menschen rassistische Zeichen nicht mehr sehen und uns Werbeforscher erklären wollen, dass der Spot humoristisch gemeint ist, so sind die Zeichen doch unterschwellig vorhanden und sollten thematisiert werden.

Kommentare und Likes im www: Stimmungsbarometer

Auf YouTube gibt’s 33 Likes und 115 Dislikes für den Billa-Backshop-Spot (Stand: 10.08.15), das ist ein deutliches Zeichen für die negative Wahrnehmung dieser Kampagne.

Die mittlerweile gelöschten Kommentare auf Facebook unterstreichen diesen Eindruck. Einige UserInnen machen Ihrem Unmut durch kurze Formulierungen Luft, indem sie auf grundlegende Probleme anspielen:

„Euer Name ist irreführend…richtig wäre: AUFBACKSHOP!” (Gerhard Simader)

Andere UserInnen führen ihre Kritik am Werbespot detailliert aus und schonen dabei auch die KonsumentInnen nicht:

„Ich bin der Meinung, dass eure Werbung zum Backshop in der heutigen Zeit nicht mehr angebracht ist! Sie ist kurz gesagt diskriminierend und bei Kindern erweckt diese Werbung den Eindruck, immer einem bestimmten Bild/Aussehen/… entsprechen zu müssen um dazu zu gehören oder dabei sein zu dürfen. Dabei sind es im richtigen Leben meist die anderen, die anders sind, die besonders Erfolgreichen. Gerade aus gutem Hause erwartet man Werbung wie diese nicht! Vielleicht sollte Werbung mal nur informieren wie z. B. über wirklich gesunde, wertvolle Inhaltsstoffe…das interessiert Kunden. Leider hört sich heutzutage schon fast jeder alles an und nimmt es einfach so hin.” (Sandra Krottmeier)

Trotz der humoristischen Intention von Billa sehen wir an den Reaktionen, dass der Spot polarisiert – und das nicht zu knapp!

Der Artikel ist ohne www-Kommentare auch in der Print-Ausgabe des a3 Marketing, Media, Adscience 7-8/2015 erschienen.