Das Beste von Rauch ist künstlich genug

© Rauch

Im Rauch-Tal gibt es News: Die besten Säfte frisch im Kühlregal – das zumindest postuliert die aktuelle Werbung von Rauch. Drei Saft-Sorten präsentieren sich in neuem Look, nämlich „in einer Karaffe, die der italienischen Wasserkaraffe nachempfunden ist“. Laut Aussage von Rauch soll die neue Verpackung „Exklusivität“ in die Heime zu bringen. Die Karaffe soll durch die neue Form den Konsumenten einen Mehrwert bieten. Sie kann gleich direkt auf dem Frühstückstisch platziert werden, weil sie so schön ist.

Produkt-Designer sollten sich beim Kreieren und Entwerfen immer folgende Fragen stellen: Welchen Sinn hat das Produkt? Wer braucht es und in welcher Situation erfüllt es seinen Zweck? Welche praktischen, ästhetischen und symbolischen Funktionen hat es?

Diesen Fragen gehen wir diesmal bei der neu gestalteten Saft-Verpackung von Rauch nach. Vermittelt Rauch neuerdings tatsächlich „Exklusivität“ aufgrund der Karaffenform? Bei der Analyse muss klar sein, dass die Bedeutung eines Produktes niemals isoliert von Umwelt und Einsatzbereich erfolgen darf. Die Wechselwirkung zwischen Produkt und Mensch, Produkt und Objekt sowie Produkt und Raum sind von großer Bedeutung für die vermittelte Botschaft des Produktes. Bei der Betrachtung im „Produkt-Mensch-Bezug“ wird auf die Anwendung der Karaffe fokussiert. Durch den schmalen Hals und den ergonomischen großen, gerippten Verschluss, ist die neue Flasche praktisch in der Handhabung. Zum Öffnen greift man mit dem Kraftgriff die Flasche mit beiden Händen, was Einfachheit symbolisiert. Die Flasche ist robuster als eine Glasflasche und vermittelt einen dichten Eindruck, womit sie auch gut für Kinder geeignet ist. Auf der ästhetischen Ebene verliert die Flasche allerdings aufgrund der plumpen Form und des geringwertigen Materials. Plastik entspricht nicht dem Code des Exklusiven. In diesem Zusammenhang von „Unsere Besten“ zu sprechen, impliziert auch, dass die anderen Rauch-Produkte schlechter sind.

Beim Produkt-Objekt-Bezug ist die Betrachtung des näheren Umfeldes der Anwendungssituationen wichtig: Rauch sieht seinen Saft in der Karaffe am schön gedeckten Frühstückstisch gemeinsam mit Tellern, Besteck, Schalen, Gläsern, Servietten etc. Genau betrachtet steht die Kunststoff-Flasche an einem schön gedeckten Frühstückstisch in Disharmonie, da sie vom Material (PET) keine Exklusivität ausstrahlt und sich rein optisch auch in das Bild mit dem restlichen Gedeck nicht einfügt. Das wäre weitaus stimmiger, betrachte man die Plastik-Flasche im Kontext einer Party mit Wegwerfgeschirr. Leider kann auch die Natürlichkeit des Produktes aufgrund der Wahl des Materials nicht stimmig vermittelt werden.
Im Produkt-Raum-Bezug ist das weitere Umfeld zu beachten: In welchem Raum wird das Produkt konsumiert? Da Rauch Exklusivität in die Heime bringen will, ist der intendierte Raum also das Zuhause, der Esstisch. Aufgrund des gewählten Verpackungsmaterials und der Form stehen jedoch die praktische Handhabung und die Robustheit der Flasche im Vordergrund, die im Unterbewusstsein folglich ein Umfeld außer Haus als adäquaten Rahmen impliziert. Die Flasche findet optimale Verwendung beim Picknick, auf einer Party, unterwegs in der Tasche usw. In diesem Rahmen kann das Produkt die Situation sogar aufwerten. Die Frage bleibt nur, ob dies aus Konsumentensicht erforderlich oder sinnvoll ist.

Fazit

Welchen Sinn hat das Produkt? Da der Markt gesättigt ist, versucht Rauch, bei dem Konsumenten neue Bedürfnisse zu wecken – das Bedürfnis nach mehr Exklusivität auf dem Frühstückstisch? Aber es handelt sich vielmehr um ein praktisches Produkt für unterwegs oder ein Picknick, bei dem man einen Hauch Luxus gewinnen könnte. Nicht jedoch für den Frühstückstisch, der durch das Umfeld das Produkt billig wirken lässt. Rauch untergräbt mit dem Produkt auch seine Botschaft der Nachhaltigkeit – es wird ein Wegwerfprodukt angeboten, das den Titel Überflussgesellschaft rechtfertigt.

Rauch und auch andere Produzenten sollten es wie Richard Snapper, einem international preisgekrönten Designer, halten: „Wir sollten nicht noch mehr Gegenstände erfinden, die es schon gibt und niemand braucht, sondern solche, die man braucht, die es aber gar nicht gibt.“

Dieser Beitrag istauch erschienen im a3 Marketing . Media . Adscience . Ausgabe 01-02/2015