„Um zu verstehen, muss man Zuhören“ lautet die Aussage der Recruiting-Kampagne für AußendienstmitarbeiterInnen der Generali Versicherung, konzeptioniert und umgesetzt von der Agentur „Zum goldenen Hirschen“.
Mit mehreren TV-Spots, Plakaten, Online und im Kino ging die Kampagne on air.
Zwei der TV-Spots zeigen uns zum einen die Außendienstmitarbeiterin Eylem Alakus (You TUbe Video nicht mehr verfügbar) und zum anderen den Außendienstmitarbeiter Georg Schiessl. Beim Betrachten eines Spots sehen wir Frau Alakus in Wien durch die sonnige Stadt gehen, lächeln, an Menschen vorbeischreiten, in ein Notizbuch schreiben, auf der Straße telefonieren und gegen Ende jemandem, der dem Betrachter den Rücken zuwendet und nicht ganz scharf abgebildet ist, zunicken und anlächeln. Eylem Alakus spricht davon, dass man Kunden genau zuhören muss, um auch zwischen den Zeilen zu lesen. Wir sehen sie jedoch nicht in der Aktion des aktiven Zuhörens. Aktives Zuhören bedeutet einen würdigenden Umgang auf der Beziehungsebene, also vor allem Gesagtes wiederholen, sprechen, Dinge hinterfragen – Interaktion mit dem Gesprächspartner. Wir sehen sie lediglich beim passiven Zuhören. Die Szenerie vermittelt den Eindruck, Frau Alakus bei einem privaten Spaziergang durch die Stadt zu begleiten, auch beim Telefonieren sehen wir vielmehr einen inneren Dialog, den Abruf von Emotionen, die vor allem bei einem persönlichen Gespräch zustande kommen, als ein Gespräch in einem beruflichen Kontext. Sie sagt auch, man müsse ein Ohr für die Kunden haben, jederzeit und presst dabei die Lippen zusammen und zieht die Mundwinkel leicht nach unten – ein Ausdruck von leichtem Ärger. Sie meint nicht wirklich, was sie sagt. Der Spot schließt damit, dass sie wieder, nun mit eher ernster Miene, ihres Weges alleine durch die Stadt zieht. Es ist ein beschaulich, ruhiger Spot, untermalt mit lieblichen Klängen, der uns auf angenehme Weise treiben lässt.
„Das beste Kundenbetreuungsteam sucht Verstärkung. Jetzt bewerben auf generali.at“, gesprochen von einem Mann aus dem Off und der Slogan „Generali. Unter den Flügeln des Löwen.“ schließen beide Spots. „Verstärkung“ ist ein Kraftwort, das Bestehendem mehr Kraft gibt – in diesem Spot sind es aber vorwiegend die Gemütlichkeit und Ruhe. Die Botschaft wird noch inkongruenter, wenn man nun auf der Karrierewebsite nach einem solchen angepriesenen Job sucht: Dort sehen wir das Foto eines jungen Mannes mit einem Laptop vor sich und einem konzentrierten Blick in diesen.
Im Anforderungstext darunter lesen wir von „Einsatz“, „Engagement“, „Top-Anbieter“, dem „Ziel noch besser zu werden“ und dem Wunsch nach „leistungsorientierten und verkaufsstarken KundenbetreuerInnen“. Das ist der größte Bruch der Kampagne: In der werblichen Darstellung werden das Harmoniebedürfnis, Stabilität und Sicherheit angesprochen, in der Personalanzeige aber das Leistungsmotiv, das Streben nach Überlegenheit.
Auch der zweite Spot mit dem männlichen Darsteller Georg Schiessl vermittelt eine Art Gemütlichkeit, jedoch durchaus gepaart mit mehr Engagement. Der Außendienstmitarbeiter hat Unterlagen in der Hand, bereitet sich auf seinen Tag vor. Die Begegnung mit seinem Gesprächspartner in einer Scheune jedoch zeugt von einer gewissen Spontanität und Ungeplantheit: Der ältere Herr bastelt an einem Traktor und blickt ernst auf, als der Berater die Scheune betritt. Er arbeitet auch weiter, obwohl der Berater mit ihm spricht. Beide stehen beim Traktor und es sind kurze Sätze – Smalltalk – die gewechselt werden. Georg Schiessl trägt Jeans und ein Trachtensakko, spricht davon, dass er sein kann, wie er ist. „Ich hab in 17 Jahren auch noch nie was verkauft“, soll zwar untermauern, dass Beratung einen hohen Stellenwert hat, zeigt aber gleichzeitig, dass es bei der Generali scheinbar keinen Leistungsdruck gibt. Auch hier zeigt uns die Generali eine Szenerie, die eher an einen privaten Besuch erinnert und an das Stabilitäts- und Sicherheitsbedürfnis andockt. Die Leistung bleibt auf der Strecke.
Fazit
Welche Qualifikationen müssen die BeraterInnen bei der Generali nun mit sich bringen? Gelassenheit und Ruhe oder Biss und das Streben nach Erfolg? Sehen wir nur schöne Werbebilder, die etwas anderes versprechen als tatsächlich von BewerberInnen erwartet wird? Die Botschaft ist austauschbar, der Absender nur durch Vor- und Abspann erkennbar und sie ist in sich nicht stimmig, das Job-Inserat zielt auf andere Motive.
Eine Recruitingkampagne täte gut daran, Identität zu stiften und Zugehörigkeit zum Unternehmen zu vermitteln, um auch die Marke als Gesamtes zu stärken und nicht nur eine angenehme Atmosphäre zu transportieren.
Der Beitrag ist auch erschienen im a3 Marketing Media Adscience 11-12/2014.