McDonald’s unglückliche Versuche der „Zwangskultivierung“

© Mc Donald's

Ist das Essen in der Krise?

Einige Food-Experten meinen so und auch diverse Berichte über Mc Donald’s zeigen, dass die Fast Food Kette das ein oder andere Problem aufgrund schwindender Besucher hat. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich bei den Werten und Codes von Essen extrem viel verändert: Der Status des Fleisches als esskulturelles Leitprodukt wurde geschwächt, Gemüse und gesundes (Ur-)Getreide erleben eine Renaissance. Die grüne Küche hat eine soziale Aufwertung erfahren und dient nicht mehr rein der Befriedigung auf der untersten Ebene der Maslow’schen Bedürfnispyramide, sondern setzt auf der obersten Ebene der Selbstverwirklichung an. Essen ist zum Zeichen des sozialen Status und einer Lebenseinstellung geworden.

Fast Casual Food erobert die Städte

Das gesunde, frisch und vor allem schnell zubereitete Essen vor den Augen der Gäste. Alternative und neue Konzepte – auch im Burger Bereich – bedrängen die alten Strukturen. Früher stand McDonald’s für Eskapismus: „Every time a good time.“, die lustvolle Sünde. Heute ist nicht mehr der primitive Ausbruch gefragt, sondern die kultivierte Akzentuierung. Man gönnt sich das Exklusive und vor allem auch das Gesunde: Individual-Gastronomie statt Massenware.

McDonald’s war in den Anfängen bis zur Jahrtausendwende ein Ort des Widerstandes gegen kulturelle Vorgaben und Angewohnheiten. Endlich durfte man offiziell nahezu archaisch, lustbetont und sündig mit den Händen essen, patzen, mit dem Strohhalm schlürfen, ohne dafür schief angesehen zu werden.

„Du bist, was du isst“

Heute erleben wir einen Wandel des Bewusstseins, in dem man sich genau gegen den Einheitsbrei und eine Nivellierung bewegt. Das Individuum wird immer wichtiger, Essen signalisiert, wie man denkt und wird zum Lifestyle und Lebenseinstellung. „Du bist, was du isst“ trifft heute noch mehr zu als in den vergangenen Jahren.

Was vor Jahren noch den großen Erfolg von McDonald’s ausmachte war die Kontinuität und Verlässlichkeit gleichbleibender und gleich aussehender Produkte – nahezu überall auf der Welt. Der „Mäci“ ist zu einem Stück Heimat im Ausland geworden.

Der Big Mac existiert in seiner Form seit 1968 und hat sich seit damals (wohl kaum) verändert. Die Kontinuität hat sich durch den gesellschaftlichen Wandel zu einem Zeichen der Starre gewandelt, die McDonald’s nun langsam (auch in Österreich) zu spüren bekommen wird.

McDonald's Candle Light Dinner

McDonald’s Candle Light Dinner

Versuche zur Konsumsteigerung, die wir derzeit in Deutschland beobachten, sind der Table Service, Bestellstationen oder das Candle Light Dinner.


machome

In Teilen Österreichs gibt es bereits McHome, den Lieferservice. Auch versucht der Konzern das Casual Food Konzept zu imitieren: McDonald’s möchte zu einem Restaurant werden, in dem man gesund essen kann. Die Website gibt Tipps zur gesunden Ernährung, die Filialen bleiben aber unverändert.


 

Auf der Speisekarte regieren Burger und Fritten – die kulinarischen Ikonen der Marke, die ihr auch das Image verpassen. Den „Better Burger Trend“ prägen neue Lokale, nicht McDonald’s. Auch den Trend der Flexitarier haben die Fast Food Ketten verschlafen. Selbst den Veggi-Burger oder das Veggi-Wrap muss man auf der Speisekarte oft suchen. Wirklich vegetarisch ist nur der Salat.

Deutschland Chef Holger Beeck erkennt das Problem selbst: „Unsere Vorbereitungen auf herausfordernde Zeiten war unzureichend.“ (medianet 31.3.15)

Fazit

Laut Hanni Rützler pflegen wir eine Kultur des Weglassens: Scheinbar auch des Burgers von McDonald’s. Dabei sind Burger erfolgreich wie noch nie – nur nicht bei McDonald’s und Burger King. Die Giganten haben es verpasst, den Wandel der Zeit und der Werteveränderung mitzumachen. Bestehende Konzepte nun krampfartig zu erneuern, wird nicht viel bringen. Viel mehr bedarf es einer genauen Betrachtung der wahren Werte und Bedürfnisse der Gesellschaft, um neue Akzente setzen zu können.

McDonald’s hat seine Positionierung verloren und scheitert nun mit Konzepten der Zwangskultivierung.

Der Artikel ist auch erschienen im A3 Marketing, Media, Adscience 05/2015