Biologische Mechanismen
Unter den Menschen herrscht seit jeher Konkurrenz hinsichtlich Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Dies basiert auf einfachen biologischen Strukturen, die wir alle in uns tragen: Maximierung des Potenzials zur Reproduktion. Ja, wir wollen Aufmerksamkeit, um mehr Chancen im Leben zu haben. Paul Gilbert spricht dabei vom „social attention-holding potential“ (SAHP). Wir sind dabei immer im Vergleich der eigenen Stärken mit denen der anderen.
Erhält ein Gruppenmitglied viel ungeteilte Aufmerksamkeit, steigt das Ansehen des Individuums. Einzelpersonen, die ignoriert werden, sind zu einem niedrigeren Status verurteilt. Das altruistische Element: Wer anderen Vorteile verschafft, erhält mehr Aufmerksamkeit und erzielt höhere SAHP-Werte. Aber auch, wer viel Aufmerksamkeit erhält, hat mit größerer Wahrscheinlichkeit einen großen Nutzen für die Gruppe.
Phänomen Facebook & Social Media
In Facebook und anderen Social Media Plattformen kämpfen wir um Kontakte und „Gefällt mir“-Bekundungen. Der Grund für Freundschaften mit längst verabschiedeten Freunden in der realen Welt liegt eben im SAHP. „Seht mich an“, dann steigt mein Ansehen.
Gefühle und Hochstimmungen sind evolutionsbedingte Mechanismen zur Lösung adaptiver Probleme von Status-Hierarchien.
In Facebook kommt der symbolische Interaktionismus hinzu. Das heißt, die persönliche Identität, das Selbst, entwickelt sich zwar nicht über Facebook, aber es wird anderen dadurch dargestellt. Symbole wie Bekundungen, welche Marken und Seiten man gut findet, strahlen auf die eigene Persönlichkeit ab. Man kann zeigen, wer man ist und wie man denkt. Das soziale Selbst – das Bild, das andere von mir haben (sollen) – kann dadurch gesteuert werden. Facebook repräsentiert damit mich. Dadurch entsteht auch mehr Nähe zu anderen, da man sie an seinen persönlichen Ritualen und innersten Wünschen teilhaben lässt. Mit dem Ziel: das social attention-holding potential zu erhöhen. Denn auch hier zählt: Wer die meisten angesehendsten Freunde hat, spielt in der oberen Liga mit und wird begehrlich für die anderen.
Künstliches Ansehen
Ansehen wird auch tagtäglich künstlich generiert: durch Medienberichterstattung oder Werbung. Oftmalige Penetration erzwingt das „Ansehen“ und löst damit den alten, evolutionären Reflex in uns aus: Das muss wichtig sein! An-sehen generiert Ansehen.
Ein weiterer Effekt kommt dabei hinzu: Oftmaliges Wahrnehmen schafft Vertrauen und Sympathie. Wenn man etwas oft sieht, dann hat es hohe Relevanz. Der dadurch entstehende Impact führt zu Aktivierung und steigert wiederum die Relevanz. Wiederholungen von Botschaften und das Sichtbar-Sein ist notwendig, um in doppeltem Sinne „angesehen“ zu werden.
Wenn Ansehen zu viel wird
Doch Vorsicht: Oftmaliges Wiederholen der immer gleichen Botschaft führt zum Wear-out, also der Langeweile, da keine neue relevante Information mehr geboten wird. Noch schlimmer, wenn die Schwelle überschritten und Reaktanz ausgelöst wird – Ablehnung der Botschaft und mitunter des Unternehmens, der Marke.
XXXLutz ist hier stark an der Kippe, schafft es aber doch immer wieder durch neue Geschichten, neu zu beleben. Jedoch ist auch hier fraglich, wie lange das noch gut gehen kann.
Andere Unternehmen erzielen hohe Bekanntheits- und Sympathiewerte bei Imageanalysen, jedoch entwickelt sich die Marke nicht weiter, der Absatz nimmt nicht zu. Dies liegt eben diesem Modell zugrunde: Das Ansehen ist vorhanden, aber die zusätzliche Information fehlt.
Bedeutungen schaffen
Es ist wichtig, Bedeutungsmanagement zu betreiben, um den evolutionären Mechanismen Rechnung zu tragen: Lernen, Konditionierung, Orientierung, Attraktivität etc.
Weiterführende Links
Evolutionäre Psychologie https://bit.ly/aWvWXF
social attention-holding potential https://bit.ly/c7Vv0y
Symbolischer Interaktionismus https://bit.ly/9DoGOS
XXXLutz Leserstimmen: https://bit.ly/dhLNoh
Ich freue mich auf Ihre Kommentare. Ihre Charlotte Hager von comrecon°.