Warum geht man als qualitativeR MarktforscherIn zu einem Workshop mit dem Titel „Lego Serious Play“? Weil wir uns davon erhoffen, neue Herangehensweisen an alt bekannte Fragestellungen zu finden und außerdem innovative Untersuchungsmethoden daraus ableiten zu können. – Was wir erwartet haben? In jedem Fall eine ganze Menge Spaß, aber auch fordernde Gedankenspiele und eine lehrreiche Zeit, die uns Inspiration für neue Arbeitstechniken bzw. deren Entwicklung gibt.
Vorweg: Wir sind nicht enttäuscht worden! Es folgt der ausführliche Bericht mit Abläufen, Methoden und anderen Einsichten.
Worum es geht?
Der Managementtrainer und Berater Andreas Jerney ist Trainer und Leiter des vierstündigen Workshops „Lego Serious Play“. Er eröffnet die Veranstaltung mit einer herzlichen Begrüßung, alle bleiben beim „Du“ – das sei persönlicher und würde für den Abbau von Schüchternheit sorgen, die bei dieser Veranstaltung wirklich deplatziert sei, meint Andreas.
Es geht im Workshop darum, Antworten zu finden, zu denen vorab keine Fragen gestellt wurden. Das „ernsthafte“ Spiel mit Lego ist also eine Möglichkeit, den TeilnehmerInnen Ansichten zu entlocken, die sie sonst niemals so freizügig preisgegben hätten. Dennoch betont Andreas, dass der Workshop nicht dazu da sei, einen Seelen-Striptease zu veranstalten, bei dem jemand Gefahr läuft, in eine unangenehme Situation zu kommen.
Vielmehr geht es darum, Neues zu entdecken, innovativ an Aufgabenstellungen heranzugehen und dabei die individuelle und kollektive Kreativität zu fördern. Genau das brauchen wir – die Analysten von comrecon – insbesondere in der qualitativen Marktforschung, bei der Markenentwicklung und auch in Bereichen des Employer Brandings.
Ablauf
Der Trainer versuchte, dem theoretischen Teil des Workshops so wenig Zeit wie möglich beizumessen und betonte, dass während der gesamten Zeit mit den Legosteinen auf den Tischen gespielt werden dürfe.
Prinzipiell bauen drei Komponenten aufeinander auf: Spiel, Konstruktion und Imagination.
Die erste Aufgabe ist es, in drei Minuten einen Turm aus Legosteinen zu bauen, der so hoch wie möglich sein soll. Hierbei entstehen abenteuerliche Kreationen: Vom einfachen Übereinanderstapeln vieler Steine bis hin zu traumhaften Elfentürmen ist fast alles dabei. Die Frage nach der Zweckmäßigkeit bzw. der Stabilität wird getestet, indem die Türme von Hand im 45-Grad-Winkel geneigt werden: Wir bringen eine neue Situation ins Spiel, die einen bislang unbekannten Faktor am Markt oder einen neuen Wunsch der Kundenseite symbolisieren soll, und ändern somit das vertraut gewordene Setting. Nicht jeder Turm überlebt das, also muss nachgebessert werden! Schließlich beschreiben die TeilnehmerInnen ihre Intentionen: Warum hat man genau diesen Aufbau gewählt? Wie ist man vorgegangen? Was war die erste Überlegung bei der Aufgabenstellung? – Wir lassen dadurch andere an unseren Gedanken teilhaben und kommunizieren. Kommunikation bedeutet nach ihrer simpelsten Definition, dass irgendwas anders ist als vorher; und dieses Gefühl können auch nach dieser Übung schon alle bestätigen. Wir machen also einen Perspektivenwechsel, wir betrachten die Sache unter anderen Voraussetzungen – das tun wir in der Forschung auch.
Danach geht es darum, wie man eine gemeinsame Marke entwickeln kann. Dafür muss ein gemeinsames Bild entwickelt und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Voraussetzung dafür ist, dass alle Beteiligten eine kollektive Identität zulassen.
Hierfür diente die zweite Aufgabe: Baue dir deine eigene Identität mit allen Legosteinen, die dir zur Verfügung stehen und lass‘ dir so viel Zeit wie du brauchst!
Nachdem alle bei guter Musik ihrer Kreativität freien Lauf gelassen haben, wird jedes „Modell“ reihum analysiert. Nach und nach schildern die TeilnehmerInnen ihre Eindrücke bezüglich der Kreation einer Person. Diese hat danach die Möglichkeit, sich zu äußern, zu kommentieren, zu verneinen, hinzuzufügen oder einfach nur das Gesagte zur Kenntnis zu nehmen. Auch hier wieder Perspektivenwechsel und das Wiedergeben der eigenen Wahrnehmung – die ja oftmals anders ist, als die der anderen. Für uns ganz wichtig, andere „Wahrheiten“ zuzulassen und zu verstehen.
Nach der Beschreibung der eigenen Identitäten geht es jetzt darum, eine gemeinsame Identität zu entwickeln: In Gruppen von drei oder vier Personen soll an einer Party (samt Motto) gebastelt werden.
Hierzu bedient man sich der verschiedenen Identitäts-Modelle, nimmt einzelne Teile heraus, setzt sie neu zusammen und fügt auch gänzlich Unbekanntes hinzu. Ziel der Schlussübung ist die Entwicklung von gemeinsamer Innovation – und diese macht unbeschwerter, schweißt zusammen und lässt einander emotional näher kommen.
Fazit
Gemeinsam entwickeln wir so in knapp vier Stunden gemeinsame Identitätsmodelle durch das „ernsthafte“ Spiel mit Lego. In all unserer Unterschiedlichkeit und auch Unbekanntheit finden wir innerhalb kürzester Zeit gemeinsame Nenner. Wir arbeiten innovativ zusammen, indem wir eine gemeinsame Vertrauensbasis schaffen. Das Spiel ist der Katalysator, um gemeinsam an Projekten arbeiten zu können, weil alle ihre Ideen und ihre Kreativität einbringen können, ohne das Gefühl zu haben, sich dabei bloßstellen zu müssen.
Ob wir jetzt mit unseren KundInnen und InterviewpartnerInnen Lego spielen müssen? Bestimmt nicht zwingend, aber für innovative und emotionale Einsichten, nach denen wir forschen und suchen, müssen wir uns selbst auf Neues einlassen – immer wieder. Prinzipiell genügt es, Methoden zu entwickeln, die Menschen die gegenseitige Interaktion, den Gedankenaustausch und auch die Kommunikation erleichtern. Das gestaltet Workshops offener und kann zu ungeahnten Einsichten führen: Vielleicht sind es gerade die Antworten, zu denen wir keine Fragen stellen, die uns im Endeffekt am weitesten bringen. Wir werden es in unseren Focus Workshops jedenfalls anwenden und mit unserem Know-how aus der Marken-Aufstellung verknüpfen.