Wir haben im letzten Blogbeitrag über Karl Grammer und die Bedeutung seiner provokanten Aussagen und Thesen berichtet. Dabei haben wir immer wieder betont, dass es uns nicht darum geht, irgendwelche eingefahrenen Klischees zu untermauern.
Allerdings möchten wir unseren LeserInnen die Möglichkeit geben, sich hinsichtlich der Aussagen selbst ein Bild zu machen. Durch die kurze Analyse in Form des letzten Blogeintrags ist man schließlich schon vorgewarnt. In diesem Sinne viel Vergnügen beim Schmunzeln, Staunen, Stirnrunzeln und vielleicht auch beim Aufregen!
Beginnen wir im Kindesalter. Im Interview mit Franziska K. Müller (Die Weltwoche) bestätigt Karl Grammer, dass schon Babys alles von der äußeren Schönheit abhängt:
„Bei der Beurteilung von Schönheit geht es nicht um innere Werte, und wenn, dann gehört das Gutsein gewiss nicht dazu. Aus evolutionsbiologischer Sicht kommt es nur auf das Aussehen an, weil hübsche und wohlgestaltete Individuen über die besten genetischen Voraussetzungen verfügen, um sich fortzupflanzen.”
„Wird eine Frau gesichtet, läuft beim Mann – ähnlich wie bei einer Waschmaschine – das immergleiche Programm ab.”
„Kleine Fehler haben und trotzdem schön sein, das ist möglich: Man spricht dann allerdings von einem Handicap.”
Zur „Liebe” äußert er sich folgendermaßen:
„[Die Liebe ist] [n]ichts anderes als ein Zusammenspiel zwischen Hormonen und Neurotransmittern. Die Liebe ist natürlich auch ein Mittel zum Zweck – die Liebe ist eine Möglichkeit, um die Partnerschaft zu stabilisieren. Letztendlich braucht es sie, weil wir diesen Kick benötigen, um die folgenschwere Entscheidung zu fällen, Kinder aufzuziehen. So etwas kann man natürlich nicht endlos aufrechterhalten.”
Die Dualität in den Beziehungen rund um „Mann ↔ Frau” beschäftigen Karl Grammers Arbeit ständig. Dies zeigt auch das Interview mit Gabriela Herpell von der Süddeutschen Zeitung. Erstaunlicherweise scheint Frau Herpell auch über einige Aussagen des Wissenschafters schockiert gewesen zu sein:
„Grammer: […] Frauen sind tatsächlich sehr willig zur Zeit ihres Eisprungs. Sie paaren sich häufiger als sonst, und zwar oft sogar gleich doppelt.
SZ: Doppelt?!?
Grammer: Das heißt, dass sie innerhalb kürzester Zeit, also vielleicht innerhalb von 24 Stunden, mit zwei Männern schlafen. Davon ist natürlich nur einer der Partner. Wenn überhaupt.”
„Zuviel Testosteron führt aber dazu, dass man nicht gescheit denken kann. Wenn Sie dann die Partnerwahlstrategien untersuchen, die so genannten Lifetime-Strategies, können Sie Folgendes sehen: Eine Mutter, die viel Testosteron produziert, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Kind bekommen, in dessen Lifetime-Strategie viele verschiedene Sexualpartner vorkommen. Wenn sie viel Östrogen produziert, wird ein monogamer Mensch daraus. Steuern kann man das nicht, es sind sehr viele Dinge, die diesen Hormonhaushalt beeinflussen, Ernährung, Klima, Lebensumstände, alles eigentlich, bis hin zu kulturellen Faktoren.”
„Ich liebe diese evolutionsbiologischen Theorien; sie sind so einfach. Man braucht keine Konstrukte. Alles geht immer nur auf eines zurück: die Sicherung des Erbguts. Zwei Menschen tun sich zusammen, um ein neues Individuum auf den Weg zu bringen. Es wäre doch viel einfacher, jeder wäre für seinen Nachwuchs allein verantwortlich, viel ökonomischer. Doch sie verzichten auf die Hälfte der Population in der Produktion. Und sogar dafür gibt es eine elegante, evolutionsbiologische Erklärung.”
Auch in seinen eigenen Beiträgen, wie „Auf der Balz” (erschienen im Spiegel 36/2001) lässt Karl Grammer besonders an Männern kein gutes Haar, sie würden wie Waschmaschinen ticken:
„Der Mann war ein Unfall der Natur. Er ist nur deshalb in die Welt gekommen, weil ihm der Arm eines Chromosoms verloren ging.”
„Frauen dagegen sind Meister der heimlichen Kommunikation und können auch Lügen besser erkennen als Männer, vermutlich weil sie im Laufe der Evolution häufiger von Männern betrogen wurden als umgekehrt.”
„Männlicher Wettbewerb benötigt Aggression – gefördert und belohnt wurde und wird sie durch die weibliche Partnerwahl.”
„Softies sind wirklich arm dran: Ihr fehlendes Draufgängertum müssen sie in einer Partnerschaft durch höheres Engagement wettmachen.”
„Wenn sich ein Mann auch nach dem ersten Balzgehabe noch für eine Frau interessiert, dann kennt der verbale Durchfall kein Halten mehr, wie Untersuchungen, wiederum aus Deutschland und Japan, gezeigt haben: Die schiere Zahl der gesprochenen Wörter nimmt zu – aber der Inhalt des Gesprochenen gewinnt dabei nicht an Qualität. Das wortreiche Gestammel offenbart: Männer haben nicht die leiseste Ahnung, auf was Frauen wirklich stehen. Was für ein primitives Gebaren, verglichen mit den machiavellistischen Balzstrategien der Frauen!”
„Das Aufkommen der modernen Reproduktionsmedizin stellt den Mann weiter in Frage. Die Trennung von Sex und Fortpflanzung ist längst vollzogen. Einige wenige bevorzugte Samenspender werden dafür sorgen, dass die Mehrheit der Männer von der Fortpflanzung ausgespart bleibt. […] Übrig bliebe die Erinnerung an den Mann – als einen Unfall der Natur.”
Wer an dieser Stelle noch mehr über Karl Grammer erfahren möchte, dem sei das Interview bei der Sendung „SWR1 Leute” ans Herz gelegt:
https://www.youtube.com/watch?v=CUhcERZyXVM
Hier zeigt sich auch, dass der Mensch hinter den Aussagen, die so viel Sprengstoff in sich tragen, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Er ist sich seiner Sache sicher, weil er auf „seine Wissenschaften” – Verhhaltensforschung und Evolutionsbiologie – verlässt. Ob wir uns auf seine Aussagen verlassen wollen? Vielleicht, aber sicher nicht, ohne jede einzelne nochmals kritisch zu hinterfragen!